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Fundstück #1

#1 Das Balkonzimmer

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Fotos: Peter H. Feist

Zum Start der Serie [2] erschien uns Adolf von Menzels bekanntes Bild “Balkonzimmer” besonders passend, visualisiert es doch die aktuelle #stayathome-Situation. Das 1845 entstandene Bild wurde wegen seines unscheinbaren Sujets und der Fokussierung auf visuelle Effekte zur Vorhut des französichen Impressionismus erklärt. Zugleich ist es wegen seiner undefinierten Partien (die aber im Spiegel ausgearbeitet sichtbar sind) rätselhaft – oder lediglich unvollendet, auch wenn es signiert ist. Heute ist das Werk wieder in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel zu sehen, nach dem Zweiten Weltkrieg befand es sich jedoch in West-Berlin: Bis 1959 in Dahlem, danach im Schloss Charlottenburg, ab 1968 in der Neuen Nationalgalerie an der Potsdamer Straße und ab 1986 bis zur Wiedervereinigung erneut in Charlottenburg.

Peter Feist (1927-2015) konnte ab 1961 nur zu besonderen Gelegenheiten nach West-Berlin reisen, die er dann auch für Museumsbesuche – und zum Fotografieren – nutzte. Aus der Summe seiner Aufnahmen könnte man seine Aufenthalte wohl weitgehend rekonstruieren. Mindestens vier Mal hat er auch das “Balkonzimmer” fotografiert: 1960, 1965, 1978 und 1984 (Abb. v.l.n.r.). Wir wissen nicht, was ihn zu dieser Wiederholung bewegte. Dass Peter Feist – wie das fotografierenden KunsthistorikerInnen durchaus passiert – bei mehreren Aufnahmen nicht mehr in Erinnerung hatte, dass er bereits früher solche gemacht hatte, ist zumindest ab dem dritten Bild eher unwahrscheinlich. Auch das Bedürfnis, mehrere Abbildungen des Werks zu haben, hätte sich bei einem einzigen Besuch durch mehrere Aufnahmen befriedigen lassen. Nahm er an, dass er jeweils eine bessere Aufnahme herstellen könnte, z.B. weil das Filmmaterial besser wurde? Wollte er das Gemälde über die Zeiten dokumentieren? Für letzteres hätten sich Aufnahmen im räumlichen Ausstellungskontext angeboten. Bei unserer Serie sind jeweils nur Teile des Rahmens zu sehen, woran aber ablesbar ist, dass dieser zwischen 1960 und 1965 gewechselt wurde, und dass sich die Beschriftung änderte.

Nicht zuletzt sehen wir, wie die Farbqualität der Bilder schwankt. Hier spielen nicht nur Änderungen in der Produktion, sondern auch die Umstände der Entwicklung und Konservierung des einzelnen Films eine Rolle. Der starke blau-violett-Stich der Aufnahme von 1965 findet sich auffallend häufig bei Dias dieses Jahrzehnts.

(GS)

(Link zu den Datensätzen: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=%21collection6949 [3])

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