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Fundstück #33

#33 Ottonik im Dornröschenschlaf

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Serie von Aufnahmen der Kgl. Preußischen Meßbildanstalt von St. Pantaleon in Köln vor der Restaurierung 1890. Digitalisate: Mediathek des IKB.

Mit der preußischen Messbildanstalt verbindet sich zunächst die Vorstellung von Außenaufnahmen oder Aufnahmen großer Innenräume, war sie doch von Alfred Meydenbauer 1885 gegründet worden (wie die Legende sagt, nachdem er beim Vermessen des Wetzlarer Doms fast von einem Türmchen am Querhausgiebel heruntergestürzt wäre), um Bildmaterial zu erzeugen, mit dem maßgenaue Aufriss- und Schnittzeichnungen angefertigt werden konnten. Aber wie unsere Fundstücke zeigen, entstanden je nach Gelegenheit auch ganz andere Bilder, bei denen auch – ob intendiert oder nicht – geradezu stimmungsvolle Werte vorherrschen.

St. Pantaleon in Köln wurde als Kirche eines Benediktinerklosters errichtet, das durch den Kölner Erzbischof Brun, Bruder Kaiser Ottos I., 955 gegründet worden war. Fertiggestellt wohl mit direkter Unterstützung der Kaiserin Theophanu um das Jahr 980 herum, wurde der Bau im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert und aktuellen Zwecken angepasst. Spätestens nachdem er in der Säkularisation in eine Garnisonskirche umgewandelt war, gab es keinerlei liturgische oder zeremonielle Nutzung mehr für Emporen und Kapellen im Westbau.

Aber die geschichtliche Bedeutung und der architektonische Wert des Baus waren im späten 19. Jahrhundert Grund genug, seine ursprüngliche Form – oder was man dafür hielt – wiederherzustellen. Zwischen 1890-92 erfolgten die Umbauten, die noch einmal durch die Zerstörungen und Wiederherstellungen nach dem 2. Weltkrieg überformt wurden. Den vorherigen, über die Jahrhunderte gewachsenen Zustand hat die preußische Meßbildanstalt – vielleicht sogar als Arbeitsgrundlage für die geplanten Restaurierungen – festgehalten. In der Lehrbildsammlung unseres Instituts befinden sich nach aktuellem Stand allein 21 Aufnahmen der Meßbildanstalt zu St. Pantaleon, von denen 17 vor und vier nach der Restaurierung aufgenommen wurden.

Die Pantaleonskirche von 1890 würde heute wohl als Instagram-geeigneter „lost place“ angesprochen werden. Gerade die teils vermauerten und nur als Durchgangs- und Lagerlokale verwendeten Räume des Westbaus erscheinen auf den Bildern wie eine romantische Theaterbühne oder gar eine Filmszenografie. Ebenso malerisch sind aber auch die an der nördlichen Außenseite der Kirche geparkten, vielleicht einem benachbarten Fuhrunternehmer gehörenden Handkarren, oder die Regenrohre in direkter Konkurrenz zu den steinernen Säulen und Profilen.

Wann die Glasdiapositive, die immer nach Negativen angefertigt und damit möglicherweise deutlich jünger als die Aufnahmen selbst sind, hergestellt wurden und wann sie dem Institut überstellt wurden, lässt sich nur grob eingrenzen. Die Aufkleber mit der Denomination „Staatliche Bildstelle“ weisen für die Anfertigung der Dias jedenfalls auf einen Zeitraum nach 1921 hin, als nur noch dieser Name geführt wurde. Die Sammlungs-Inventarnummern im Bereich von 42300 lassen darüber hinaus annehmen, dass die Dias in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in den Besitz des kunstgeschichtlichen Instituts gelangten.

Ob sie direkt für eine Lehrveranstaltung angeschafft wurden, oder Teil einer größeren Erwerbung – vielleicht auch Schenkung – von Meßbildaufnahmen darstellt, ist unklar. Ersteres ist weniger wahrscheinlich, da die Bilder ja einen denkmalpflegerischen Charakter besitzen, der zumindest in diesem Umfang bei den üblichen, eher überblicksartig auf die Architekturgeschichte selbst ausgerichteten Themen kaum nötig gewesen wäre. Zeitlich und thematisch kann damit nach bisherigem Kenntnisstand am ehesten Adolph Goldschmidts Lehrveranstaltung „Die Kunst des frühen Mittelalters bis zum Ende der romanischen Zeit“ im Wintersemester 1925/26 und Sommersemester 1926 in Verbindung gebracht werden. (G.S.)

(Alle Aufnahmen der Meßbildanstalt von St. Pantaleon in Köln: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=!collection603703 [2])

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Die Diapositive und Fotos aus den Sammlungen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte tragen verschiedenste Spuren ihrer Herstellung und Nutzung und sind damit immer auch ein Stück Institutsgeschichte, Fachgeschichte oder Medien- und Technikgeschichte.
Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen, ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de [5]). Im Text geäußerte Einschätzungen geben ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autor:innen wieder.