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Nachruf: Prof. Dr. Peter H. Feist

Nachruf
Prof. Dr. Peter H. Feist (29.7.1928 – 26.7. 2015) Prof. Dr. Peter H. Feist [1]

Am 26. Juli 2015 ist Peter H. Feist, emeritierter Professor für Kunstgeschichte, gestorben. Mit ihm verliert das Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin einen bedeutenden Kollegen, der nicht nur durch seine fachlichen Leistungen, sondern auch durch seine menschliche Größe im Gedächtnis bleiben wird.

Der Werdegang von Peter H. Feist war durch sein Geburtsjahr vorgeprägt. Der Anschluss des Sudetenlandes an Nazideutschland ließ ihn ab dem zehnten Lebensjahr den Nationalsozialismus und mit ihm den Krieg erleben, in dessen letzter Phase er als Flakhelfer dienen musste. Die Teilung Deutschlands, der Kalte Krieg und der Untergang der sowjetisch beherrschten sozialistischen Republiken waren weitere Brüche, die Peter H. Feist mit der Wachheit eines Stoikers, den in keinem Moment der Lebensmut und die Neugierde verließen, durchlebt hat.

Peter H. Feist hat nach seinem Abitur im Jahr 1947 in Wittenberg an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Kunstgeschichte, Geschichte sowie klassische und orientalische Archäologie studiert. Wie zahlreiche bedeutende Kunsthistoriker der Moderne auch, hat er sich in seinem Studium wie auch in seiner Diplomarbeit und seiner Dissertation, mit der er 1958 promoviert wurde, mit der Kunst des Mittelalters auseinandergesetzt. Die ungewöhnliche Themenstellung zur Stilstruktur in der altorientalischen und romanischen Kunst wurde ermöglicht durch das Studium bei Wilhelm Worringer, dessen Assistent er an der halleschen Universität wurde.

Peter H. Feist war überzeugter Sozialist, der nach Kräften versucht hat, über sein Fach am Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik mitzuwirken. 1954 trat er in die SED ein, und seither hat er in vielen Funktionen in verantwortlichen Stellungen gewirkt, darunter ab 1968 als Mitglied des Zentralvorstandes des Verbandes bildender Künstler der DDR und von 1982 an als Leiter des Instituts für Ästhetik und Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR. Er wurde mit hohen Preisen ausgezeichnet, darunter 1975 mit dem Nationalpreis der DDR und 1988 mit dem “Vaterländischen Verdienstorden”.

Diese Tätigkeiten und Ehrungen sind umso bemerkenswerter, als die Kunstgeschichte in der DDR prinzipiell unter dem Verdacht stand, zu einem bürgerlichen Erbe zu gehören, das nicht genuin dazu angelegt war, einen »neuen Menschen« auszubilden. Dieser Zwiespalt hat verhindert, dass Peter H. Feist ein gleichsam blinder Parteigänger geworden ist; vielmehr hat er, wie es die Institutsgeschichte “In der Mitte Berlins” festgehalten hat, teils schwere Konflikte mit der Führung der SED durchgefochten.

Wer immer ihm begegnet ist, sei es vor oder nach 1989, wird ihn als einen toleranten, offenen und neugierigen Zeitgenossen wahrgenommen haben. Diese Eigenschaft hat sich nicht gemindert, als mit dem Fall der Mauer auch seine politischen Aktivitäten nicht nur zunichte waren, sondern auch diskreditiert schienen.

Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Sympathie Peter H. Feist die Entwicklungen des kunsthistorischen Instituts der Humboldt-Universität aufgenommen und begleitet hat und mit welcher inneren Liberalität auch sich selbst gegenüber er an seiner sozialistischen Überzeugung festhielt. In einer Festveranstaltung zu seinem 80. Geburtstag in der Humboldt-Universität hat er auf sein Leben ohne Illusionen, aber auch ohne Selbstbezichtigung zurückgeblickt, und es dürfte niemand im Raum gewesen sein, der angesichts dieses in keinem Moment verbitterten Zeugen der Brüche des 20. Jahrhunderts nicht berührt gewesen wäre.

Peter H. Feist kam 1958 als Oberassistent an das Institut für Kunstgeschichte der Humboldt-Universität, um 1966 die Habilitation mit einem Thema zum französischen Impressionismus zu erlangen. 1967 wurde er zum Dozenten, 1968 zum Professor und 1969 zum ordentlichen Professor an der Humboldt-Universität ernannt. Ab 1977 leitete er den Bereich Kunstwissenschaft.

Das zweite Feld seiner Aktivitäten als Kunsthistoriker war die Leitung des Instituts für Ästhetik und Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR seit 1982. In dieser Funktion hat er an einem der wichtigsten Lexika der Kunstgeschichte im deutschen Sprachraum mitgewirkt, dem “Lexikon der Kunst”, das in erster Auflage 1968-1978 und dann, in revidierter und erweiterter Form, von 1987-1994 unter der Redaktionsleitung von Harald Olbrich erschien. Es kann als ein Standardwerk der Kunstgeschichte gelten. Die Genauigkeit und die unprätentiöse Sachorientierung hat Peter H. Feist auch dazu prädestiniert, das Metzler-Kunsthistoriker-Lexikon mit herauszugeben. Ein hohes Verdienst kam Peter H. Feist auch durch die Herausgabe von zwei Teilbänden der “Geschichte der deutschen Kunst” (1986/87) zu.

Sein wissenschaftliches Werk lag im wesentlichen im Bereich der deutschen Romanik, des französischen Impressionismus und der Plastik im 20. Jahrhundert. Seine kunsttheoretischen Erörterungen mündeten in die “Prinzipien und Methoden marxistischer Kunstwissenschaft: Versuch eines Abrisses” aus dem Jahr 1966. Das schmale Buch gab einen zwei Jahre zuvor gehaltenen Vortrag wieder, in dem er in der Münchener Universität versucht hatte, im Klima des Kalten Krieges für eine marxistische Kunstgeschichte zu werben. Es muss ein denkwürdiger Moment gewesen sein, in dem sich die antagonistischen Stränge des 20. Jahrhunderts gleichsam verknoteten. Allein bereits das wissenschaftliche Thema seines Lebens, der französische Impressionismus, bezeugt, wie sehr Peter H. Feist der Kurzschluss von Form und Ideologie zuwider war. Auch durch sein Wirken ist es gelungen, dem Fach Kunstgeschichte zu Zeiten der DDR nicht nur zu Ansehen zu verhelfen, sondern auch dafür zu sorgen, dass sie nicht im mainstream der herrschenden Ideologie verkümmerte.

Das Institut für Kunst- und Bildgeschichte ist Peter H. Feist in hohem Maß zu Dank verpflichtet. In seiner Person verkörpert sich die Komplexität unversöhnlicher Gesellschaftsentwürfe wie auch die menschliche Größe, die hieraus entstehenden Konflikte zu überwinden. Das Institut wird sein Ansehen in Ehren wahren.

 

Für das Institut: Horst Bredekamp