- Institut für Kunst- und Bildgeschichte – HU Berlin - http://www.kunstgeschichte.hu-berlin.de -

Fundstück #23

#23 Die Handschrift des jungen Forschers

Glasdia mit Gemälde von Jacob van Ruisdael. [1]

Glasdiapositive mit Röntgenaufnahme des Kopf des Moses der Berliner Gemäldegalerie und einem nicht identifizierten Gemälde aus dem Rembrandtumkreis (seinerzeit Den Haag, Privatbesitz). Fotos: unbekannt, Digitalisat: Mediathek des IKB

Unter den rund 1000 Dias von Werken Rembrandts, die sich in der alten Lehrbildsammlung befinden, fallen einige durch eine besonders ausgeprägte Handschrift auf. Der Umstand, dass sie teils unbekannte oder aus dem Rembrandt-Umkreis stammende Werke, teils Detailaufnahmen oder sogar Röntgenaufnahmen zeigen, ordnen sie eher einem Forschungskontext zu.

Zur Entstehungszeit dieser Dias, zwischen 1952 und 1956, war mit Werner Sumowski (Ortelsburg/Szczytno 1931- Stuttgart 2015) ein Doktorand am Institut, der 1956 mit der Dissertation “Rembrandts Handzeichnungen: Beiträge zur Echtheitskritik“ bei Richard Hamann promoviert wurde. Die Überprüfung der Handschrift mit anderen Belegen bestätigte schnell die Vermutung, dass diese Dias tatsächlich von Sumowski selbst beschriftet worden waren. Allerdings waren sie wohl kaum für eigene Lehrveranstaltungen bestimmt, da Sumowski als Doktorand – zumindest nach den Vorlesungsverzeichnissen – nicht lehrte. Es wäre denkbar, dass er die Dias für Richard Hamann hat anfertigen lassen, der im u.a. im Herbstsemester 1955/56 ein Seminar “Bürgerliche Kunst in den Niederlanden / b. Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts” für das 2. Studienjahr hielt. Noch wahrscheinlicher waren sie aber für eigene Fachvorträge bestimmt, da die Bildbeispiele etwas speziell für allgemeine Überblicksveranstaltungen gewesen wären.

Sumowski war später einer der angesehensten Kenner des Werks von Rembrandt und seiner Schüler, konnte aber in der DDR neben einigen Fachartikeln nur eine Monografie im kirchlichen Milieu realisieren: Für den mit geprägtem Leineneinband und Farbschnitt gediegen als Geschenk konzipierten Band der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin, „Rembrandt erzählt das Leben Jesu“, dessen Haupttext ausschließlich aus Bibel-Texten besteht, wählte er die Werke aus und erstellte einen Katalog mit Kommentaren. Möglicherweise plante er am Kunsthistorischen Institut noch eine größere wissenschaftliche Publikation zu Rembrandtzeichnungen, da sich im Archiv zahlreiche, mit seinem Namen gekennzeichnete Negativplatten befinden, die noch nicht im Einzelnen gesichtet wurden. Doch zu diesen Projekten kam es nicht mehr.

Nachdem der immerhin bereits 78-jährige Richard Hamann 1957 seinen Lehrauftrag verloren hatte und Gerhard Strauss als Lehrstuhlinhaber eingesetzt worden war, gehörten derartig bürgerliche Themen grundsätzlich nicht mehr zum Profil, was sich auch am Fehlen der Produktion von weiteren Rembrandt-Lehrdias ablesen lässt. 1959 entschloss sich Werner Sumowski, vielleicht sogar auf Anraten Hamanns, zur damals bereits seit zwei Jahren als Straftatbestand definierten ‘Republikflucht’ in den Westen, was für seine wissenschaftliche Karriere sicherlich die beste Entscheidung war.

Zunächst als Assistent, später als Professor konnte er an der TH bzw. Universität Stuttgart seine Rembrandt-Forschungen über seine gesamte Karriere hinweg weiter fortsetzen. Mit der Veröffentlichung umfangreicher Werkverzeichnisse etablierte er sich international als führender Rembrandt-Sachverständiger: Zu Beginn der 1980er Jahren erschienen sowohl die von Walter L. Strauss (The Illustrated Bartsch) in New York herausgegebenen 10 Bände der “Drawings of the Rembrandt School”, als auch die sechs Bände der in Deutschland erschienenen “Gemälde der Rembrandt-Schüler”. Letztere wurden auch für die Berliner Institutsbibliothek angekauft, aber bezeichnenderweise noch nicht zu DDR-Zeiten, sondern erst nach der Wende, im Jahr 1991.

(G.S.)

(Ich danke Dr. Dietrich Heißenbüttel, Stuttgart, für die Zusendung einer Schriftprobe von Werner Sumowski, die die Vermutung der autographen Beschriftung der Dias bestätigte)

Postskriptum 7.3.2022: Anders als angenommen, hielt Sumowski durchaus noch Vorlesungen am Kunstgeschichtlichen Institut der Humboldt-Universität, bevor er in die DDR verließ. Peter H. Feist schreibt in seiner Autobiografie über den Beginn seiner eigenen Anstellung als Assistent bei Gehard Strauss: “Dr. Werner Sumowski (geb. 1931), ein Lieblingsschüler Hamanns, der ihn auf das Werk Rembrandts gelenkt hatte, war noch eine Weile als Oberassistent mit Vorlesungen tätig und litt unter der Situation [dass R. Hamann das Institut hatte verlassen müssen, G.S.]. Ich hatte so gut wie keinen Kontakt zu ihm. Im Oktober 1959 ging er nach dem Westen.” (Hauptstraßen und eigene Wege, Berlin 2026, S. 81)

(Link zu allen bislang aufgefundenen Dias mit mutmaßlicher Beschriftung Werner Sumowskis: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=sumowski [2])

Zur Hauptseite der Fundstücke [3]

Aufruf aller bisherigen Fundstücke: http://www.kunstgeschichte.hu-berlin.de/category/fundstück/ [4]

Die Diapositive und Fotos aus den Sammlungen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte tragen verschiedenste Spuren ihrer Herstellung und Nutzung und sind damit immer auch ein Stück Institutsgeschichte, Fachgeschichte oder Medien- und Technikgeschichte.
Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen, ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de [5])