Mitglieder

Mitglieder


Dr. Leonie Beiersdorf, Kunsthalle Karlsruhe
Leonie Beiersdorf forscht seit langem zu Rosa Schapire (1874–1953), die bis ins hohe Alter selbstständig als promovierte Kunsthistorikerin tätig war. Ihre Biographie lässt wiederholt Exklusionsmechanismen zeitgenössischer Kulturinstitutionen erkennen. Doch hat Schapire selbst das Bild einer beobachtenden Außenseiterin gepflegt und sich so Freiheiten jenseits der bürgerlichen Norm gewahrt.
Die bisherige Forschung widmete sich Schapires Engagement für den Expressionismus, ihrer Sammlung und dem britischen Exil. Im Zusammenhang des Netzwerkantrags würde sich erstmals die Gelegenheit bieten, ihr publizistisches Werk methodisch wie thematisch zu analysieren und mit Zeitgenoss*innen in Bezug zu setzen. Insbesondere die Analyse des Geistigen im Werk Karl Schmidt-Rottluffs und die Spur der außereuropäischen Künste im Werk Ernst Ludwig Kirchners setzen Schapires Publikationen gedanklich in Bezug zu Zeitgenossen wie Wilhelm Worringer, Carl Einstein, Fritz Burger, Max Dvořák, Wilhelm Niemeyer, Max Sauerlandt oder Julius Meyer-Graefe, denen sie mitunter offen widersprach.

Leonie Beiersdorf ist seit 2018 Kuratorin für Neuere Malerei und Plastik an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Nach dem Studium der Kunstgeschichte in Cambridge und London wurde sie in Berlin mit einer Studie zur ostdeutschen Erinnerungskultur nach 1989 promoviert. Sie kuratierte diverse Ausstellungen am MKG Hamburg und an der Hamburger Kunsthalle. Von 2015 an war sie als Kustodin am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, für Kunst und Kunsthandwerk ab 1800 zuständig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der politischen Ikonographie, interkultureller Dialoge sowie der Fotografiegeschichte.


Lee Chichester, M.A., Humboldt-Universität zu Berlin
Im Kontext des Netzwerks untersucht Lee Chichester die Geschichte des Zugangs früher deutschsprachiger Kunsthistorikerinnen zu kunsthistorischen Institutionen und fragt nach ihrem besonderen Beitrag zur Theoriebildung, ebenso wie nach den sozial- und wissenschaftshistorischen Gründen ihres Ausschlusses aus dem Kanon der Kunstgeschichtsschreibung. Als gemeinsame Forschungsgrundlage für das Netzwerk führt sie Daten zu allen im deutschsprachigen Raum vor 1950 promovierten Kunsthistorikerinnen zusammen, inkl. ihrer Promotionsthemen, Betreuer und Lebensläufe. Diese Daten sollen im Zuge des Projekts ausgewertet werden im Hinblick auf Bildungswege, erschlossene Forschungsfelder und methodische Innovationen.
Als Fallstudie widmet sie sich Lu Märtens Beitrag zur marxistischen Kunsttheorie, speziell Märtens früher Auseinandersetzung mit materieller Alltagskultur, (wissenschaftlichem) Film und der gesellschaftlichen Rolle der Künstlerin. Von letztem Aspekt ausgehend wird sie frühe feministische Ansätze deutschsprachiger Kunsthistorikerinnen vergleichend untersuchen – darunter erste Analysen der sozialhistorischen Situation von Künstlerinnen, der Darstellung von Frauen in der Kunst, der Arbeitsweise und Rezeption von Künstlerinnen sowie Reflexionen der eigenen intellektuell-schöpferischen Tätigkeit als Blickende statt Angeblickte.

Lee Chichester ist Gründungsmitglied der AG Kunsthistorikerinnen vor 1970: Wege – Methoden – Kritiken am Ulmer Verein sowie des gleichnamigen DFG-Netzwerks. Sie hat Kunst- und Bildgeschichte sowie Biologie in Berlin und New York studiert. Von 2014 bis 2017 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie hat verschiedene Ausstellungen (ko-)kuratiert, darunter +ultra. gestaltung schafft wissenam Martin-Gropius-Bau 2016/17 und August Gaul. Moderne Tiere am Kunstmuseum Bern 2021. 2022 hat sie Ihre Dissertation über „Kraftfelder des Organischen. Gestaltungsprozesse in der Kunst und Biologie der Britischen Moderne” verteidigt, unterstützt durch ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes und ein Fellowship der DFG-Kolleg-Forschergruppe “Imaginarien der Kraft” der Universität Hamburg. Seit 2022 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Postdoc) am Lehrstuhl Allgemeine Kunstgeschichte der Ruhr-Universität Bochum.


Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Ludwig-Maximilians-Universität München
Burcu Dogramaci untersucht in ihren Forschungen zur Geschichte des Faches Kunstgeschichte das Wirken von Kunsthistorikerinnen im frühen 20. Jahrhundert. Dabei interessiert sie vor allem, zu welchen neuen Wissensformen, methodischen Ansätzen und Theoriebildungen die Emigration von Kunsthistorikerinnen wie Hanna Levy Deinhard und Rosa Schapire führte. Auch befragt sie für die Kunsthistorikerinnen der Moderne die Bedingungen des kunsthistorischen Studiums, der beruflichen Tätigkeit und der Partizipation an kunstwissenschaftlichen Debatten.
Ihr Forschungsvorhaben im Netzwerk widmet sich dem Anteil von emigrierten Fotogra-finnen (Lucia Moholy, Gisèle Freund) und Kunst- wie Architekturhistorikerinnen zur Historiografie der Fotografie und zur Etablierung fotografischer Wissensformen. In ihren Forschungen zu der emi-grierten Stadt- und Architekturhistorikerin Sibyl Moholy-Nagy und der Fotografin Ilse Bing, die im Rahmen ihrer kunsthistorischen Dissertation mit dem Fotografieren begann, wird sie sich mit Fragen der visuellen Argumentation und der Bedeutung des Fotografischen für die architekturhistorische Forschung befassen.

Burcu Dogramaci ist Professorin für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie forscht und publiziert zur Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart mit einem Schwerpunkt auf Exil und Migration, Geschichte der Kunstgeschichte, Fotografie, Urbane Räume und Architektur, Skulptur, Mode, Live Art. Im Jahr 2016 ERC Consolidator Grant für das Forschungsprojekt METROMOD, das sich mit sechs globalen Metropolen als Ankunftsstädte für geflüchtete Künstler*innen der Moderne befasst. Publikationen (Auswahl): Handbook of Art and Global Migration. Theories, Practices, and Challenges, München: de Gruyter 2019 (hg. m. Birgit Mersmann); Rosa und Anna Schapire – Sozialwissenschaft, Kunstgeschichte und Feminismus um 1900, Berlin: Aviva 2017 (hg. mit Günther Sandner); Kunst und Gesellschaft zwischen den Kulturen. Die Kunsthistorikerin Hanna Levy-Deinhard im Exil und ihre Aktualität heute, München: edition text + kritik 2016 (hg. mit Irene Below).


PD Dr. Annette Dorgerloh, Humboldt-Universität zu Berlin
Einen Forschungsschwerpunkt von Annette Dorgerloh bildet seit langem die Beschäftigung mit Frauen – insbesondere Künstlerinnen – des späten 19. und des 20. Jahrhunderts als Teil wissenschaftlicher Netzwerke. Dazu gehören Untersuchungen zur Berliner Salonkultur, zum Habitus des universitären Kunsthistorikers im wilhelminischen Berlin und zuletzt zum Problem der Darstellung von Frauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Bildender Kunst und Film (u. a. Katalogbeiträge zu den Ausstellungen „Alles nur Kulisse. Filmräume aus der Traumfabrik Babelsberg“, Filmmuseum Potsdam 2015/16; „Wanderlust“, Alte Nationalgalerie Berlin 2018; „Kino der Weimarer Republik“, Bundeskunsthalle Bonn 2018/19).
2018 ist als neuer Schwerpunkt die systematische Untersuchung der Ausbildung und Berufstätigkeit von Kunsthistorikerinnen in der DDR, insbesondere von Studentinnen und Absolventinnen der Humboldt-Universität zu Berlin, hinzugekommen. Aktuell laufen Archivrecherchen und Zeitzeuginnen-Interviews zur Erforschung der institutionellen Bedingungen, kultur- und kunstpolitischen Kontexte und persönlichen Erfahrungen dieser Kunsthistorikerinnen aus verschiedenen Generationen.

Annette Dorgerloh ist Privatdozentin am Institut für Kunst- und Bildgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin; Diss. 1996; Habil 2007. 2005-16 am SFB 644 „Transformationen der Antike“ mit Projekten zur Geschichte des frühen Landschaftsgartens und zur Szenographie der Antiken im Film; Projektleitung „Spielräume. Szenenbilder und -bildner in der Filmstadt Babelsberg“. Forschungsschwerpunkte: Rauminszenierungen, Künstlermythen und Geschlechterkonstruktionen in der Kunst seit der Renaissance; Geschichte der Filmszenographie; Kunsthistorikerinnen in der DDR.


Dr. Laura Goldenbaum, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
Im Rahmen des Netzwerkes arbeitet Laura Goldenbaum zu der promovierten Berliner Kunsthistorikerin Frida Schottmüller (1872–1936), deren akademische Laufbahn als ein frühes Beispiel Möglichkeiten und Wirkungsräume aufzeigt, die sich Frauen des Faches zu Beginn des 20. Jahr-hunderts eröffneten. Wirken und Werk der Schülerin von Wölfflin, Goldschmidt und Simmel werden unter folgenden Gesichtspunkten beleuchtet: Zum einen soll ihr Forschungsbeitrag im Mittelpunkt stehen, der dem Fach zu Perspektiverweiterungen verhalf, – von ihren Forschungsansätzen, -gegenständen bis zu ihren -methoden. Zum anderen werden ihre Verdienste in der Museums- und Vermittlungsarbeit herausgearbeitet. So ist sie maßgeblich an der konzeptionellen Entwicklung der Epochen-Räume beteiligt, in denen Objekte gattungsübergreifend präsentiert werden. Ein dritter Schwerpunkt wird auf der Untersuchung ihrer beruflichen Netzwerke und ihrer sozialen Stellung als nichtverheiratete Frau liegen, die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdie-nen musste und sich mit der gesellschaftlichen Position der Frau bewusst und öffentlich auseinandersetzte.

Laura Goldenbaum studierte Kunst- und Bildwissenschaft, Archäologie, Alte Geschichte und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und in Rom. Promotionsstipendiatin Kunsthistorisches Institut in Florenz (MPI), Drittmittelstipendiatin Fritz Thyssen Stiftung. Dissertation: „In testimonium veritatis. Der Bronzegisant als Totenabbild im italienischen Quattrocento“ (2013, publ. 2018). 2013–2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Bildgeschichte, Humboldt-Universität/Exzellenzcluster „Bild Wissen Gestaltung“. Seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gründungsintendanz, Humboldt Forum und Referentin Neil MacGregors, seit 2019 wissenschaftliche Referentin Generalintendanz Humboldt Forum.


Jun.-Prof. Dr. Henrike Haug, Technische Universität Dortmund
Henrike Haugs Forschung fokussiert im Rahmen des Netzwerkes ausgehend von den Lebens- und Karrierewegen von Caroline Bum (Lili Fröhlich-Bum, 1886–nach 1975), Helene Wieruszowksi (1893–1978) und Annelise Fleischmann (Annie Albers, 1899–1994) die Karrierewege von Kunsthistorikerinnen vor und nach 1933. Wichtige Motive sind dabei in den 1910er und 1920er Jahren die Frage nach der Mobilität von Studentinnen, die nahezu allesamt an mehreren Orten studierten.
Als zweites Motiv rückt der Karrierebruch nach der Promotion in den Fokus – wenngleich Studium und Promotion in der Vorkriegs- und Kriegszeit möglich waren, mussten die ausgewählten Wissenschaftlerinnen nach dieser Zeit meist den ‚Plan B’ verfolgen, weil ihnen entweder eine berufliche Anstellung, der Weg zur Habilitation oder der Zugang zum eigentlichen Wunschfach verwehrt blieb. 1933 bedeutet für alle drei Frauen einen fundamentalen Einschnitt, der mit Verdrängung, Verlust der finanziellen Sicherheit und Migration verbunden ist. Abschließend soll die thematische Neuausrichtung, die in Teilen der Erfahrung der Verfolgung und Flucht geschul-det ist, aber auch durch das Leben in der Fremde in Amerika/England Impulse erhält, in den Fokus genommen werden.

Henrike Haug studierte Kunstgeschichte, klassische Archäologie und mittelalterliche Geschichte in Berlin und Pisa. Ab 2003 arbeitete sie u. a. als wissenschaftliche Assistentin am Kunsthistorischen Institut in Florenz (MPI), promovierte 2009 an der HU Berlin und war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Kunstwissenschaft und historische Urbanistik der TU Berlin tätig. Zwischen 2017 und 2020 lehrte sie als Juniorprofessorin für Kunstwissenschaft an der TU Dortmund, wo sie 2019 mit der Schrift „imitatio/artificium. Goldschmiedekunst und Naturbetrachtung im 16. Jahrhundert“ habilitierte. Seit November 2020 ist sie Akademische Rätin am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln.


Luise Mahler, M.A.
Luise Mahler erforscht seit 2014 die frühe Rezeption des Kubismus im deutschsprachigen und zentraleuropäischen Raum. Bestandteil ihrer systematischen Erörterung für die Zeit zwischen 1910 und 1926 ist die Erschließung des Anteils von regional ansässigen Kunsthistorikerinnen an der Auseinandersetzung mit der 1908 in Paris begründeten kubistischen Malerei.
Ihr Forschungsvorhaben im Rahmen des Netzwerks widmet sich dem von Berta Seps-Zuckerkandl, Hedwig Fechheimer und Sophie Lissitzky-Küppers geleisteten Beitrag zur Diffusion des Kubismus sowie der Erforschung des Weiterdenkens dieser radikalen Formensprache inner-halb ihrer Kunsttheorie, Kunstkritik und ihres kuratorischen Schaffens. Insbesondere gilt es, Fragen zur Zirkulation von Ideen und Objekten sowie zur kulturellen Diplomatie vergleichend zu erörtern. So war Seps-Zuckerkandl unter den ersten Autor*innen in Österreich, die sich mit dem Kubismus und dem Werk Pablo Picassos bereits ab 1914 beschäftigten. Fechheimer hingegen ging mit ihrem Aufzeigen von Parallelen zwischen dem Kubismus und ägyptischer Kunst – 1914 veröffentlicht in Die Plastik der Ägypter – Carl Einsteins vielbesprochener Negerplastik von 1915 voraus.

Luise Mahler studierte Kunstgeschichte und Geschichte in New York und Braunschweig. Ihren Master erhielt sie vom Hunter College der City University of New York für eine Arbeit zum Einfluss der Wissenschaft, insbesondere der empirischen Untersuchung des Lichts, auf die Entwick-lung der Abstraktion bei Giacomo Balla. Als Assistenzkuratorin erarbeitete sie am Museum of Modern Art in New York die 2015 eröffnete Ausstellung Picasso Sculpture. Von 2017 bis 2019 war sie Fellow am Leonard A. Lauder Research Center for Modern Art. Ihr derzeitiges For-schungsprojekt kontrastiert europäische Kubismus-Theorien.


Prof. Dr. Brigitte Sölch, Universität Heidelberg
Brigitte Sölch beschäftigt sich im Rahmen des Netzwerks mit Eleanor von Erdberg-Consten (1907–2002), die ein herausragendes Beispiel für die Frage nach dem Anteil von Kunsthistorikerinnen an der Architektur- und Raumforschung ist. Welche Ansätze entwickelte eine ausgewiesene Expertin im Bereich der ostasiatischen Kunst und Kultur durch ihre Lehrtätigkeit an einer Architekturfakultät, in der sie – nach Deutschland zurückgekehrt – eine Anstellung fand? Wie brachte sie ihr materielles und kulturelles Wissen zu Ostasien in ein Fachgebiet ein, das vom Moderneparadigma geleitet war und dessen Wissenskanon die Architektur der klassischen Antike, Europas und Nordamerikas war? Ausgehend von Schriften wie Grundsätze des Wohnens im westlichen und östlichen Raum: Baustil und Bautechnik in Amerika und Japan (1964) soll das Profil einer Wissenschaftlerin gewürdigt werden, die sich in vielerlei Hinsicht außerhalb der etablierten geographischen und disziplinären Grenzen des Faches bewegte und damit auch Studierende in Bonn und Aachen prägte.

Brigitte Sölch ist Professorin für Architektur- und Neuere Kunstgeschichte am Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg. Zuvor war sie von 2018 bis 2021 Professorin für Architektur- und Designgeschichte / Architekturtheorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, und 2019 Weinberg Fellow an der Italian Academy for Advanced Studies der Columbia University in NYC. Bis 2018 war sie am Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut tätig und habilitierte sich an der HU Berlin („Das Forum – nur eine Idee? Eine Problemgeschichte aus kunst- und architekturhistorischer Perspektive, 15.–21. Jh.”). Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Architektur- und Bildgeschichte mit Bezug zur politischen Ideengeschichte sowie die Architektur- und Problemgeschichte des Öffentlichen aus historisch und kulturell vergleichenden Perspektiven.


Prof. Dr. Änne Söll, Ruhr-Universität Bochum
Basierend auf den Lebens- und Exilwegen der drei Kunsthistorikerinnen Gertrude Rosenthal (1903–1989), Yvon Hackenbroch (1912–2012) und Adele Coulin Weibel (1880–1963), die teilweise via London an US-amerikanischen Museen (Metropolitan Museum of Art New York, Baltimore Museum of Art, Detroit Institut of the Arts) eine feste Anstellung fanden, wird Änne Söll untersuchen, wie es ihnen gelang, in den USA Fuß zu fassen. Welche Bedingungen fanden die Frauen in den US-amerikanischen Institutionen vor und wie schafften sie es, sich dort als Kunsthistorikerinnen zu etablieren? Welche Rolle spielte dabei ihr Geschlecht und ihre jüdische Abstammung? Anschließend an die Frauenexilforschung der letzten Jahrzehnte wird danach gefragt, inwiefern sich die Bedingungen für Kunsthistorikerinnen im Exil von denen ihrer Kolleginnen aus anderen Wissenschaften ähneln bzw. unterscheiden.
Da von allen drei Frauen in den Museumsarchiven noch extensive Archivmaterialien und eine Reihe von Publikationen vorhanden sind, soll durch deren Auswertung ein komplexes Bild der drei Frauen als Wissenschaftlerinnen nachgezeichnet werden. Diese Arbeit ist als Erinnerungsauftrag zu verstehen, der die Exilsituation mit der heutigen Diskussion um Migration und Exil verbinden wird.

Änne Söll ist seit 2015 Professorin für Kunst der Moderne mit einem Schwerpunkt in der Kultur- und Geschlechtergeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2006–2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam, 2014 Habilitation an der Universität Potsdam, 2009–2012 DFG-Projekt „Eigene Stelle“ mit dem Thema „Der Neue Mann? Männerporträts der Neuen Sachlichkeit“ am Institut für Künste und Medien, Universität Potsdam, von 2003–2006 wissen-schaftliche Mitarbeiterin an der TU Dortmund. Stipendiatin des Graduiertenkollegs „Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses“ an der UdK Berlin, 2003 Promotion an der HdK Braunschweig, 1997 M.A. an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt, 1996–1997 Fulbright Stipendiatin an der Rutgers University of New Jersey, 1993 B.A. hons. an der Middlesex University, London.


Prof. Dr. Bettina Uppenkamp, Hochschule für bildende Künste Hamburg
Die Geschichte und Theorie der Geschlechterordnungen und ihrer Repräsentationen, die Effekte des Geschlechterdualismus und der darin eingelassenen Hierarchien im Feld der Kunst und ihrer Institutionen zählen seit vielen Jahren zu den Forschungsschwerpunkten von Bettina Uppenkamp.
Im Rahmen des Netzwerkes wird sie sich zum einen mit der Frage befassen, welche Voraussetzungen es für Frauen in der Geschichte der Disziplin gegeben hat, sich auch in kanonischen Themengebieten wie der italienischen Renaissance zu behaupten. Zum anderen wird sie sich mit dem Wechselverhältnis zwischen Tendenzen und Problemstellungen zeitgenössischer Kunst und der Entwicklung von kunstgeschichtlichen Fragestellungen und methodischen Ausrichtungen befassen. Hierfür bietet sich die Auseinandersetzung mit der Ausbildung und den (aufgrund von Flucht und Exil teils prekären) Forschungsbedingungen von Erica Tietze-Conrat an, die als erste Frau im Jahr 1905 in Wien durch Hans Wickhoff und Julius von Schlosser mit einer Arbeit zum Spätbarock promoviert wurde. Als Mitarbeiterin ihres Ehemannes und Privatgelehrte zu italienischer Renaissance und Barock forschend teilte sie mit vielen Kollegen der „Wiener Schule“ ein intensives Interesse für die zeitgenössische Kunst. Inwiefern dies, wie etwa bei Max Dvorak, ihre Forschungen zur Frühen Neuzeit informiert haben könnte, soll Gegenstand der Untersuchung sein. Die Schriften Tietze-Conrats lassen des Weiteren ein lebhaftes Interesse für Fragestellungen mit geschlechtsspezifischem Bezug erkennen, wenn sie sich z. B. mit den Frauenbildnissen Georg Ehrlichs befasst oder der „Kunst der Frau“ einen Text widmet.

Bettina Uppenkamp studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Philosophie in Heidelberg und Hamburg. 1997 Promotion mit einer Arbeit zu Judith und Holofernes in der italienischen Malerei des Barock am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg. 2009 Habilitation mit einer Arbeit Die italienischen Hochzeitstruhen des 15. Jahrhunderts an der Philosophischen Fakultät III der Humboldt-Universität zu Berlin. 2013 bis 2017 Professorin für allgemeine Kunstge-schichte an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Seit 2017 Professorin für Kunst- und Bildgeschichte an der Hochschule für bildende Kunst Hamburg. Forschungsschwerpunkte zur Kunst der Frühen Neuzeit, zeitgenössischer Kunst, Geschichte und Theorie der Geschlechterordnungen.


Jo Ziebritzki, M.A., Universität Heidelberg
Jo Ziebritzki erforscht das Werk und Wirken von Kunsthistoriker*innen, Intellektuellen und Künstler*innen im frühen 20. Jahrhundert, insbesondere in der außereuropäischen Kunstgeschichte. Wie haben die Kunsthistorikerinnen mit den im deutschsprachigen Raum erlernten Methoden und Begriffen außereuropäische Kunstgeschichten erforscht und beschrieben?
Exemplarisch für eine Studie ist das von Josef Strzygowski (1862–1941) geleiteten Institut für Kunstgeschichte in Wien, an dem viele Kunsthistorikerinnen über Kunst aus dem asiatischen Raum promovierten. Zu den ab den 1920er Jahren in Wien in Forschung, Lehre und Veröffentlichungen international agierenden Expertinnen gehören Stella Kramrisch (1896–1993), Melanie Stiaßny (1876–1960) und Emmy Wellesz (1889–1987). Wie haben sie die Disziplin Kunstgeschichte im Inland und Ausland geprägt? Zeigen ihre Methoden im Umgang mit Bildern und kulturellen Gegenständen „anderer“ Kulturgeschichten einen produktiven Umgang, von dem wir heute lernen können?

Jo Ziebritzki studierte Kunstwissenschaft, Philosophie und Ausstellungsdesign in Karlsruhe und Berlin. Mitglied des Graduate Programme for Transcultural Studies am Heidelberg Centre for Transcultural Studies, Promotionsstipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes und freischaffende Kunstvermittlerin. Seit 2018 Gründungsmitglied der AG Kunsthistorikerinnen vor 1970 am Ulmer Verein sowie des gleichnamigen DFG-Netzwerks. Von 2013 bis 2017 Herausgeberin und Teamleiterin von reciprocal turn, Plattform für Kunsttheorie und künstlerischer Praxis und Mitglied des Feministischen Arbeits-Kollektives (FAK).


PD Dr. Anja Zimmermann, Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg
Im Rahmen des geplanten Netzwerks wird Anja Zimmermann sich mit der Entstehung geschlechterkritischer Perspektiven im Rahmen früher feministischer Kunstgeschichte im deutschsprachigen Raum beschäftigen (die allerdings oft im Austausch mit Positionen aus dem angelsächsischen Raum, z. B. Nochlin 1971, formuliert wurden). Im Speziellen liegt der Fokus auf der Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten, die das Einbringen der Kategorie Geschlecht in die Fragestellungen des Faches begünstigten. Insbesondere soll danach gefragt werden, an welche Vorarbeiten Kunsthistorikerinnen um 1970 u. U. anknüpfen konnten, um Geschlechterdifferenz zu thematisieren und welche institutionellen und intellektuellen Strategien sie nutzten, um diese Perspektive dem Fachdiskurs einzuschreiben.

Anja Zimmermann ist Priv.-Doz. für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg, zuvor u.a. Heisenberg-Fellow (Universität Oldenburg). Vertretungsprofessuren an den Universitäten München (LMU), Klagenfurt, Zürich, Hamburg. Mitherausgeberin der Zeitschrift „FKW//Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur“. Forschungsschwerpunkte: Kunst der Moderne und Gegenwart, visuelle Kulturen zwischen Kunst und Naturwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte, Geschlechterforschung. Ausgewählte Veröffentlichungen: A. Zimmermann (Hg.): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin: Reimer 2006; A. Zimmermann (Hg.): 1968ff – Kunst, Feminismus, Politik, FKW//Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur, Heft 64, Dezember 2018.