Fundstück #30

#30 Bruchzahl

Glasdia von 1931 mit Grundriss des Essener Münsters (aus W.K. Kästner, Das Münster in Essen, 1930)

Abb. 1, Glasdia von 1931 mit Grundriss des Essener Münsters, Handschrift unbekannt. Digitalisat: Mediathek des IKB.

Die alten Diapostivie des IKB sind Träger vieler Spuren, die zumeist für sich selbst gelesen werden müssen, da sich nur wenig Aktenmaterial erhalten hat. Etwas hat sich aber doch erhalten, was wir nun auszuwerten begonnen haben, und auch allgmeinere Informationen, richtig kombiniert, helfen weiter.

Die Inventarnummern gehören mit zu den wichtigsten Spuren auf den Dias, da sie eine zumindest relative Zeitstellung, also eine Aussage darüber wann das Dia in die Sammlung aufgenommen wurde, angeben. Mann muss aber aufpassen, denn nicht jede Nummer auf einem Dia ist eine Inventarnummer und darüber hinaus gibt es auch mehrere Brüche in der Zählung.

Einen solchen Bruch, wohl den ersten in der Geschichte unserer Diathek, können wir jetzt genauer fassen: Im Sommer 1931 übernahm Albert Erich Brinckmann den Lehrsstuhl des Instituts, der seit der Emeritierung Adolph Goldschmidts im Jahr 1929 vakant bzw. lediglich vertreten war. Brinckmann entfaltete schon bei den Berufungsverhandlungen eine energische Aktivität zur Erneuerung des Instituts, die sich nicht nur auf räumliche Umstrukturierungen, sondern in sehr großem Umfang auch auf den Ausbau und die Erneuerung von Bibliothek, Fotothek und vor allem Diathek richtete. Brinckmann konnte Zusagen für Mittel im Umfang von 5000 Mark für Diapositive und – über drei Jahre verteilt und einschließlich der dafür geplanten Reisen nach Italien und Frankreich – 40.000 Mark für den Kauf von Büchern und Fotos erwirken (Univ. Arch. VD 02.026). Auch die Bücher und Fotos waren teils als Vorlagen für die Anfertigung von Dias gedacht. Außerdem konnte Brinckmann für die Produktion der Dias einen neuen Institutsdiener und Fotografen einstellen.

Stramm national orientiert, sympathisierte Brinckmann bereits damals mit den Nationalsozialisten. Sein Engagement zielte auch darauf, wo immer möglich, dem Ruf des Emeritus Adolph Goldschmidts, der die vergangenen zwei Jahrzehnte der Institutsgeschichte geprägt hatte, seinen Glanz zu nehmen. So schrieb er etwa im November 1931 an den Verwaltungsleiter in einem mit dem Betreff „Denkschrift zur Neuordnung des Kunstgeschichtlichen Instituts“ versehenen Brief: „Man darf sagen, dass ca. 40% der Diapositive durch Alter und Gebrauch so jämmerlich sind, dass wissenschaftliches Arbeiten mit ihnen kaum mehr möglich scheint.“ und versicherte zugleich: „Diese Erneuerung kann nur nach und nach geschehen, ist aber schon in die Wege geleitet.“

Abb. 2, Glasdia um 1930 mit Stich von Goltzius, Evtl. Handschrift Brinckmann, Digitalisat: Mediathek des IKB

Hiervon lässt sich einiges auch an den Dias selbst ablesen. Wohl nach dem Vorbild des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Köln, wo er zuvor, seit 1929, tätig war, ließ Brinckmann nun alle neu einzustellenden Diapositive mit einem Institutsstempel versehen. Er hatte aus Köln auch eine größere Menge – ihm aus welchem Grund auch immer zustehender – Diapositive nach Berlin mitgebracht und in Rechnung gestellt. Offenbar erschien es zu aufwändig, diese mit dem neuen Berliner Stempel zu versehen, so dass sie weiterhin nur den Kölner Stempel tragen (vgl. Abb. 2).

Zugleich wurde – wie zur Markierung einer Zeitenwende – auch eine neue Zählung der Dias eingeführt und die unter Grimm begonnene und von Wölfflin und Goldschmidt fortgeführte, bislang bei rund 45.000 angekommene Nummernreihe abgebrochen. Die Nummer 1, mit der die neue Reihe wohl begann, haben wir noch nicht gefunden, aber nun immerhin die Nummer 4 (s. Abb. 1). Das Dia mit einer Rekonstruktion des ottonischen Grundrisses des Essener Münsters wurde wohl für Brinckmanns Vorlesung im Wintersemester 1931/32, „Hauptwerke der deutschen Kunst von der Romanik bis zum Rokoko“, angefertgt. Bisherige Stichproben bei den mutmaßlich gegen Ende des Semesters (oder evtl. auch in der Anschlussveranstaltung des Sommersemesters 1932) gezeigten Werken des Barock und Rokoko ergaben Inventarnummern im Bereich von jenseits der 4000. Falls die Zuordnung stimmt, muss die Produktion der Dias von bislang ein, zwei Tausend pro Jahr also schlagartig nach oben geschnellt sein.

(G.S.)

(Aufruf des Datensatzes: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/view.php?ref=59204)

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Die Diapositive und Fotos aus den Sammlungen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte tragen verschiedenste Spuren ihrer Herstellung und Nutzung und sind damit immer auch ein Stück Institutsgeschichte, Fachgeschichte oder Medien- und Technikgeschichte.
Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen, ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de). Im Text geäußerte Einschätzungen geben ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autor:innen wieder.