Fundstück #22

#22 Holländische Landschaften

Glasdia mit Gemälde von Jacob van Ruisdael.

Glasdia, bez. “J. v. Ruisdael / Strand von Scheveningen / Slg. v. Pannwitz b. Haarlem, 43702”, Foto: unbekannt, Reproaufnahme: verm. H. Lobers

Ein gutes Dutzend der Glasdias des kunstgeschichtlichen Instituts zeigt Gemälde von Jacob van Ruisdael (Haarlem, um 1629 – 1682) aus verschiedenen Sammlungen und ist zugleich mit einem Etikett “H. Lobers Berlin C 2 Staatliche Museen” versehen. Aus den Berliner Adressbüchern kann man entnehmen, dass es sich bei der Namensangabe um Hermann Lobers handelt, der am Berliner Kupferstichkabinett tätig war (lt. Adressbuch wechselnd bezeichnet als “Hilfsarbeiter”, “Hilfsrestaurator”, oder “Beamter”). Darüber hinaus ist über ihn bislang nichts weiter bekannt, außer dass er im Lauf des Jahres 1936 oder 1937 in den Ruhestand ging und demnach um oder kurz nach 1871 geboren sein dürfte. Da die Adressbücher 1943 abbrechen und nach dem Krieg zunächst nur als Branchenbücher fortgeführt wurden, kann das Jahr seines Ablebens nicht eingegrenzt werden. Einige der Dias (wie das hier abgebildete) weisen Inventarnummern des Instituts auf, die sich im Bereich von 43700 bewegen. Nach bisherigen Eingrenzungen entstanden Dias mit diesen Nummern Ende der 1920er Jahre.

Die auf den Dias gezeigten Gemälde haben keinen besonderen Bezug zum Kupferstichkabinett, wo Lobers tätig war. Sie stammten – wie gesagt – vielmehr aus verschiedenen Sammlungen. So befand sich bspw. das abgebildete Werk mit der Ansicht des Strands von Scheveningen, dessen heutiger Verbleib nicht bekannt zu sein scheint, in einer Sammlung, die das Ehepaar von Pannwitz zunächst in Berlin aufgebaut und in einer eigens dafür errichteten Villa im Grunewald ausgestellt hatte, die aber nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 1920 nach Schloss Hartekamp bei Bennebroek in Holland verbracht wurde. Dieses und die anderen auswärts befindlichen Gemälde Ruisdaels waren, nach allem was bekannt ist, in den späten 1920er Jahren nicht – etwa auf einer Ausstellung – in Berlin zu sehen und hätten also auch nicht in Berlin fotografiert werden können. Daher stellt sich die Frage, auf welche Weise der Fotograf des Kupferstichkabinetts diese Dias anfertigte.
Wenn man nicht eine Reise vermutet, kommt wohl nur in Frage, dass es sich um Reprofotografien nach Abbildungen handelt. Soweit man anhand der Dias beurteilen kann, lagen den Aufnahmen keine gedruckten Vorlagen zugrunde, da kein Druckraster zu erkennen ist. Daher muss angenommen werden, dass Negative oder (hochwertige) Fotoabzüge als Vorlage dienten.

Woher könnten aber nun die Vorlagen stammen und warum nahm gerade Lobers sie auf? Es ist sicherlich kein Zufall, dass zu dieser Zeit (und bis zu seiner erzwungenen Emigration 1937) der Kunsthistoriker Jacob Rosenberg (Berlin 1893 – Cambridge/Mass. 1980) am Kupferstichkabinett tätig war und sich parallel zu seiner dortigen Tätigkeit mit Forschungen zu Ruisdael beschäftigte. 1928 publizierte er bei Bruno Cassirer eine großformatige Überblicksmonografie zu Ruisdael, bebildert mit 112 Tafeln bzw. 158 Abbildungen (Rosenberg, Jakob: Jacob van Ruisdael. Berlin 1928). Wie auch im Vorwort bemerkt, hatte er für diese Publikation – auch aus abgelegenen Sammlungen – eine größere Menge fotografischer Abbildungen von Ruisdaels Gemälden beschafft.

So lautet unsere vorläufige Hypothese, dass diese Dias nach Fotografien angefertigt wurden, die sich im Besitz von Jacob Rosenberg befanden. Auch wenn dafür sicherlich einige Absprachen nötig waren, war es naheliegend, dass der an dessen Arbeitsstelle tätige Fotograf die 8,5x10cm-Glasdias anfertigte. Grundsätzlich waren die persönlichen Netzwerke zwischen den Forschenden und Institutionen wohl eher enger als heute, so dass von einer kollegialen Verbindung Rosenbergs zur Universität auszugehen ist, auch wenn Rosenberg, der 1922 bei Wölfflin in München promoviert wurde, nicht in Berlin studiert hatte. Hinsichtlich der Frage, wer die Dias mit den Gemälden Ruisdaels am kunsthistorischen Institut wünschte, ließe sich schließlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuten, dass es kein anderer als der Lehrstuhlinhaber des Instituts selbst, Adolph Goldschmidt, war. Er hielt seit der Mitte der 1920er Jahre immer wieder eine Vorlesung zur niederländischen Malerei des 17. Jh. – zuletzt im Sommersemester 1929. Dass hingegen – im Unterschied zu anderen Dias mit Werken der niederländischen Malerei – seine Handschrift auf den Dias nicht zu finden ist, rührt vielleicht daher, dass die Beschriftung vom Fotografen ausgeführt wurde. Hierfür würden einige Merkmale sprechen, deren Untersuchung hier jedoch zu weit führen würde. (GS)

(Link zum Datensatz: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/view.php?ref=52736)

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