Fundstück #25

#25 Auseinandergefallen

Glasdia mit Gemälde aus Rembrandt-Umkreis.

Glasdia, bez. “[Rem]brandt. (Caßel) R’s Vater [Blst.] um 1631 / 30/31 | 7142”, Foto verm. aus: W. v. Bode, The complete work of Rembrandt, Vol. 1, Paris 1897, Abb. 54; Digitalisat: Mediathek des IKB

Warum heißen die Glasdias eigentlich Glasdias? Das ist zunächst einmal nicht selbsterklärend, denn viele Dias weisen Glasbestandteile auf. Auch die jüngeren, in viel größerer Anzahl produzierten Kleinbilddias sind oft entweder zwischen zwei, mit Papierstreifen verklebten Glasplatten oder in Rähmchen mit einem verglasten Fenster montiert. Aber in diesen Fällen besteht das eigentliche Dia immer aus einem Film, der lediglich von Glas abgedeckt ist.

Anders bei den sogenannten Glasdias, die zunächst vorwiegend einfach als „Glasplatten“ bezeichnet wurden und später auch aufgrund ihrer Größe von typischerweise 8,5 x 10cm im Unterschied zu den Kleinbild-(oder Mittelformat-)Dias auch Großdias genannt wurden: Dort befindet sich das Bild direkt in einer fotografischen Schicht auf der Glasplatte. Diese Glasplatte ist selbst schon das Dia. Die beschichtete Seite der Glasplatte wird dann meist noch mit einer leeren Glasplatte als Schutz der Fotoschicht abgedeckt und mit Papierstreifen verklebt. Meistens sorgt eine zusätzlich zwischen die beiden Glasplatten geklebte schwarze Papiermaske dafür, dass nur der gewünschte Bildausschnitt ohne eventuelle helle Nebenzonen zu sehen ist.

Gelegentlich, vor allem gegen Mitte des 20. Jahrhunderts und wenn Farbbilder gewünscht waren, wurde auch bei den großen Dias mit Film gearbeitet, der zwischen zwei leere Glasplatten gespannt wurde. Hier wäre dann die Bezeichnung „Glasdia“ eigentlich nicht zutreffend. Von außen kann der Unterschied aber kaum zuverlässig erkannt werden.

Unsere beiden Fundstücke zeigen nun ein tatsächliches Glasdia. Es handelt sich einerseits um die Deckplatte, die kein Bild, aber die aufgeklebten Etiketten mit den Beschriftungen enthält und andererseits um die Bildplatte, auf der die schwarze Papiermaske aufgeklebt ist. Sie ist hier vergleichsweise großflächig, da das Bild klein ist. Ein Film oder ähnliches ist nicht vorhanden. Beide Bestandteile wurden in verschiedenen Fächern des Schranks mit den Werken Rembrandts gefunden. Erst bei der Durchsicht der Digitalisate wurde ihre Zusammengehörigkeit wieder erkannt. Es ist nicht bekannt, wann die beiden Stücke aufgrund der Auflösung der rahmenden Papierstreifen auseinanderfielen.

Wie Abriebspuren und der vielleicht auch schon vor dem Auseinanderfallen eingetretene Glasbruch verraten, wurde das Dia häufig benutzt. Es zeigt ein Gemälde aus der Kasseler Gemäldegalerie („Caßel“), das als Werk Rembrandts, das als Darstellung seines Vaters angesehen wurde – diese biographische Orientierung war für die damalige Forschung typisch. Damit gehörte das Gemälde selbstverständlich zum Standardrepertoire von Rembrandt-Vorlesungen. Heute sieht die Forschung es jedoch als ein Werk des zeitweiligen Werkstattgenossen Jan Lievens an und verzichtet auf eine Identifzierung des Dargestellten.

Angefertigt wurde das Dia vermutlich, ebenso wie das Fundstück #24, für eine Lehrveranstaltung Adolph Goldschmidts im Sommer 1901. Ebenso wie die eigenhändige Beschriftung von Goldschmidt findet sich hier eine zusätzliche Nummerierung („4.“). Auch die Vorlage stammt mit großer Wahrscheinlichkeit wieder aus dem Werkverzeichnis von Bode. Wie der technische Ablauf der Herstellung der Glasdiapositive nach solchen Vorlagen erfolgte, zeigen uns – soviel kann bereits verraten werden – andere Fundstücke aus der Sammlung. (GS)

(Link zu den Datensätzen: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=%21collection597273)

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Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen, ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de)