Fundstück #24

#24 Kunsthandel und Forschungswandel

Glasdia mit Gemälde aus Rembrandt-Umkreis.

Glasdia, bez. “7139 | Rembrandt. Portrait des Titus / ([durchgestr.] Paris Samlg. Kann) Altmann, NY”, Foto aus: W. v. Bode, The complete work of Rembrandt, Vol. 6, Paris 1901, Abb. 442; Digitalisat: Mediathek des IKB

Dias einer Lehrbildsammlung sind nicht nur Quellen für ihre eigene Geschichte und ihren Gebrauch, sondern spiegeln auch den Stand der Forschung und die Geschicke der abgebildeten Werke wider. So liefert dieses Dia, dessen Inventarnummer (7139) dafür spricht, dass es um oder kurz nach 1900 erstmals zum Einsatz gekommen ist, auch einige Hinweise zur Sammlungsgeschichte des Gemäldes. Dieses zeigt ein Knabenbildnis, das lange Zeit für ein authentisches Werk von Rembrandt gehalten wurde. Insbesondere die Umstände, dass der Knabe offensichtlich Rembrandts Sohn Titus darstellen soll und dass das Gemälde signiert und datiert ist, ließen zunächst an Eigenhändigkeit glauben. Die neuere Forschung vermutet jedoch einen möglicherweise noch im 17. Jahrhundert tätigen Nachahmer Rembrandts als Urheber.

Das Fehlen eines Herstelleretiketts lässt darauf schließen, dass das Dia direkt für eine Lehrveranstaltung angefertigt wurde, und zwar als Reproduktion nach dem 1901 erschienen 6. Band des Rembrandt-Werkkatalogs von Wilhelm von Bode, wie der noch sichbare Ansatz der Tafelnummer (442) oben rechts bezeugt. Da die Handschrift auf dem Etikett diejenige von Adolph Goldschmidt zu sein scheint, kann mithilfe der Vorlesungsverzeichnisse präziser geschlossen werden, dass das Dia im Sommersemester 1901 angefertigt wurde, nämlich für die Lehrveranstaltung „Geschichte der belgischen und holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts“. Goldschmidt war damals als außerplanmäßiger Professor in Berlin tätig, bevor er einen Ruf nach Halle erhielt und schließlich 1912 den Berliner Lehrstuhl übernehmen konnte. Während im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1901 ausdrücklich angegeben ist, dass diese – jeweils mittwochs und samstags von 8-10h „privatim“ gehaltene und also mit Hörergeld zu bezahlende – Veranstaltung auch „Demonstrationen im Museum“ umfasste, wurde der andere Teil der Sitzungen offenbar mit Lichtbildprojektionen gestaltet. Vermutlich steht die auf einem eigenen kleinen Etikett vermerkte Nummer 11. mit der Gliederung der Veranstaltung in Zusammenhang, ohne dass wir angesichts der wenigen bislang aufgefundenen weiteren Dias mit ähnlichen Zahlen sagen könnten in welcher Weise das der Fall ist.

Wie eingangs gesagt, interessiert bei dem vorliegenden Fundstück aber auch der Aspekt, dass es den in den Jahrzehnten vor und nach 1900 regen internationalen Handel insbesondere mit niederländischer Kunst spiegelt. Die ursprüngliche Beschriftung besagt, dass sich das Gemälde in der Sammlung von Rodolphe Kann in Paris befindet. In der Sammlung des ursprünglich aus Frankfurt a.M. stammenden Bankiers war es tatsächlich von 1883 bis zu Kanns Tod 1905, was die Datierung unseres Dias noch einmal bestätigt. 1907 wurde das Gemälde über den Kunsthandel Duveen in die USA an Benjamin Altman in New York verkauft. Dieser Umstand wurde später, unter Streichung der ersten Angabe, ebenfalls auf dem Dia vermerkt („Altman NY“) – von einer anderen Hand, die wir noch zu identifizieren hoffen.

Eine eine genauere Bestimmung, bei welchem Anlass diese Korrektur auf dem augenscheinlich häufig benutzten Dia vorgenommen wurde, ist nicht möglich, da die Veranstaltungen in Berlin zur niederländischen Malerei im Allgemeinen und zu Rembrandt im Besonderen bald zu zahlreich waren. Es ist lediglich zu vermuten, dass sie vor 1913 erfolgte, dem Jahr in dem Altman starb und seine Sammlung als Stiftung an das Metropolitan Museum ging, wo sie sich noch heute befindet. Diese letzte Änderung der Besitzverhältnisse wurde nicht mehr vermerkt, vielleicht aus Platzgründen, vielleicht auch einfach, weil es bekannt war, dass die über 1000 Stücke umfassende Sammlung Altman nun ein Teil des Metropolitan Museum war. Ebenso nicht mehr vermerkt wurde der Umstand, dass das Gemälde spätestens seit 1969 mit dem Erscheinen der von Horst Gerson redigierten Neuauflage des Bredius-Katalogs nicht mehr als eigenhändiges Werk angesehen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Rembrandt jedoch allenfalls noch ein sozialikonographisches Thema im Curriculum der Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität und das Dia wohl nicht mehr in Gebrauch. (GS)

(Link zum Datensatz: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/view.php?ref=52910)

Zur Hauptseite der Fundstücke

Aufruf aller bisherigen Fundstücke: http://www.kunstgeschichte.hu-berlin.de/category/fundstück/

Die Diapositive und Fotos aus den Sammlungen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte tragen verschiedenste Spuren ihrer Herstellung und Nutzung und sind damit immer auch ein Stück Institutsgeschichte, Fachgeschichte oder Medien- und Technikgeschichte.
Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen, ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de)