GKNS – Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus
Zwischen Oktober 2004 und Oktober 2006 erarbeiteten die Kunstgeschichtlichen Institute der Universitäten in Berlin (HU), Bonn, Hamburg und München miteinander an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt »Die Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Kontinuitäten und Brüche einer Wissenschaft zwischen der Weimarer Republik und der Gründungsphase beider deutscher Staaten« unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Warnke. Unterstützt wurde die wissenschaftliche Forschung von den Mitarbeitern des Instituts für Software und Entwicklung der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Im Rahmen des Projektes wurde eine netzbasierte Quellenedition zur Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus innerhalb der bereits bestehenden Digitalen Bibliothek Warburg Elektronic Library (WEL) entwickelt
Zielsetzung
Erstmals ist eine umfassende und kritische Zusammenstellung der Quellen zur Geschichte des Faches Kunstgeschichte entstanden, die Grundlage für eine eingehendere Erforschung der Wissenschaftsgeschichte im Nationalsozialismus sein wird. Im Zentrum des Projektes stand jeweils die Geschichte der beteiligten Institute. Dabei waren nicht nur die verschiedenen Rollen und Funktionen der einzelnen Kunsthistoriker von Interesse, sondern auch die institutionellen Strukturen und Wissenschaftszusammenhänge, in denen sie sich bewegten.
Geschichte
Das Berliner Kunsthistorische Institut der Friedrich-Wilhelms-Universität stellte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das größte Universitätsinstitut der Kunstgeschichte dar. Hier lehrten im Wintersemester 1932/33 sechzehn Dozenten, die Zahl der Studierenden betrug etwa 100. In den Jahren 1933 bis 1939 wurde jedoch nahezu das gesamte Kollegium ausgetauscht. Durch das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« wurden sechs Dozenten die Lehrerlaubnis entzogen: dem emeritierten ehemaligen Lehrstuhlinhaber Adolph Goldschmidt, den außerordentlichen Professoren Oskar Fischel, Leopold Giese, Edmund Hildebrandt und Werner Weisbach sowie dem Privatdozenten Alfred Neumeyer. Auf Grund des »Gesetzes über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens« durfte auch Oskar Wulff nicht mehr lehren. Von 1931 bis 1935 leitete Albert Erich Brinckmann als Ordinarius das Institut. Er versuchte, es zu einem internationalen Forschungsinstitut auszubauen und las selbst vor allem zur nachmittelalterlichen Kunst in Deutschland, Italien und Frankreich. Trotz NSDAP-Mitgliedschaft musste er 1935 den Lehrstuhl für Wilhelm Pinder, zuletzt Ordinarius in München, freimachen und wurde nach Frankfurt am Main versetzt. Pinders Schwerpunkt in der Lehre lag auf mittelalterlicher Kunst in Deutschland. Neben seiner Tätigkeit als Dozent und Institutsleiter vertrat er seine Sicht auf die deutsche Kunst auf zahlreichen Auslandsvortragsreisen und war neben Richard Sedlmaier Herausgeber der kunsthistorischen Schriften im »Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften«. Während Pinder nach dem Krieg nicht mehr auf seinen Berliner Lehrstuhl zurückkehren konnte, gab es Pläne, ihn nach Hamburg bzw. Göttingen zu berufen. Sein Tod 1947 verhinderte ihre Realisierung. Auch Albert Erich Brinckmann erhielt nach 1945 keinen Lehrstuhl mehr und ist damit neben dem ehemaligen Bonner Ordinarius Alfred Stange der einzige Ordinarius – nach derzeitigem Kenntnisstand -, der seine Karriere nach 1945 nicht fortsetzen konnte. Dagegen konnte der gleichaltrige Hans Jantzen in München seine Universitätstätigkeit fortführen.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit vollzog sich unter den Professoren Friedrich Winkler (Direktor des Kupferstichkabinetts der Berliner Museen) und Richard Hamann senior (gleichzeitig weiter Lehrstuhlinhaber in Marburg/Lahn) der Wiederaufbau der Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Das Themenspektrum
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden neben genaueren Untersuchungen zu den in Berlin lehrenden Dozenten (Dozentinnen waren zwischen 1930 und 1950 keine am Institut vertreten) und MitarbeiterInnen die Schwerpunkte von Forschung und Lehre analysiert. Neben den traditionellen Themen der Kunstgeschichte der deutschen und europäischen Kunst und Architektur wurden in Berlin vor allem die außereuropäischen Künste thematisiert. Während dieser Lehrzweig in München nach dem Weggang Ludwig Bachhofers verwaiste, wurden in Berlin bis Kriegsende Lehrveranstaltungen zu chinesischer und japanischer Kunst sowie der Kunst des Islam angeboten, darüber hinaus zur »Kunst der Naturvölker«. Kennzeichnend für das Berliner Institut waren ferner Kooperationen mit Berliner Museen sowie interdisziplinäre Zusammenschlüsse mit der Landesgeschichte. So wurde unter der Leitung von Wilhelm Pinder 1937 die Abteilung Kunstgeschichte des »Provinzialinstitutes für brandenburgische Landes- und Volkskunde« eingerichtet.
Daneben bildet die deutsche kunsthistorische »Ostforschung« einen besonderen Schwerpunkt im Rahmen des Berliner Forschungsvorhabens. Der Erforschung dieses Themas, die Professor Adam S. Labuda, seit 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Kunstgeschichte initiierte, widmet sich das Dissertationsprojekt »Kunsthistorische Ostforschung im Nationalsozialismus«.
Bearbeiterinnen
Sabine Arend M.A. und Dr. des. Nikola Doll