Fundstück #3

#3 Exkursion nach Dresden

Foto: Peter H. Feist

Gemeinsame Exkursionen sind momentan nicht möglich und werden von uns allen sehr vermisst. Obwohl die Kunstgeschichte eine zu großen Teilen medial basierte Disziplin ist und konzeptionelle, theoretische und historische Kontexte eine zunehmende Rolle spielen, bleibt die gemeinsame Betrachtung von Kunstwerken und der damit verbundene Austausch über die Wirkung von Form und Material eine essentielle Erfahrung. Das gilt nicht nur für Architektur und Städtebau, wo das Raumerlebnis fast unverzichtbar ist, sondern auch für Objekte in Museen und anderen Sammlungen.

Auch wenn sich an der Humboldt-Universität Ziele, Inhalte und Strukturen des Kunstgeschichtsstudiums im Verlauf des 20. Jahrhunderts mehrfach radikal geändert haben, gehörten Exkursionen immer zum Curriculum. Das war auch vor 60 Jahren so, als eine Gruppe des Berliner Instituts – vermutlich ein ganzer, damals gerade einmal aus einem Dutzend Studierender bestehender Jahrgang – die Kunstsammlungen in Dresden besuchte.

Peter H. Feist fotografierte nicht nur Kunstwerke, sondern machte gelegentlich auch Aufnahmen von Menschen auf Exkursionen und Tagungen, oder beim Besuch von Museen und Ausstellungen. Auf dem Bild betrachtet die Gruppe, die Feist damals als frisch angestellter Dozent begleitete, gerade die sog. Dresdner Mänade, eine aus dem 1. Jh. n. Chr. stammende Kleinskulptur aus Marmor, die vermutlich nach einem Vorbild des 4. Jh. v. Chr. gefertigt wurde. Die Kunst des Altertums war (ebenso wie die Kunst der Vorgeschichte) damals integraler Teil des Lehrprogramms. In seiner Autobiographie erwähnt Peter Feist das Exkursionsziel nicht, so dass für weitere Erkenntnisse ein Gang ins Universitätsarchiv notwendig wäre. Auch wer die TeilnehmerInnen waren, ist nicht bekannt. Aber aufgrund der durchgeplanten Wissenschafts- und Kulturpolitik der DDR war der größte Teil später wohl in Positionen der Denkmalpflege, der Museen oder der akademischen Lehre aktiv tätig.

(GS)

(Link zum Datensatz: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/view.php?ref=21710; anders als sonstige Aufnahmen mit potentiell identifizierbaren Personen ist das Bild in der online-Datenbank abrufbar)

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Fundstück #2

#2 Königin Luise als Daphne

Foto: Peter H. Feist

Im Frühjahr 1984 hatte Peter Feist offenbar Gelegenheit, durch den West-Berliner Tiergarten zu spazieren und Fotos von den dort aufgestellten Denkmälern zu machen. Anders als in den Frühjahrswochen des Corona-Lockdowns 2020 war der Park an jenem Tag weitgehend leer, wie auch weitere Aufnahmen aus der gleichen Serie zeigen.

Das von Erdmann Encke geschaffene und 1880 aufgestellte Denkmal für Königin Luise ist schwer zu fotografieren, da die Figur nach Norden blickt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme am späten Vormittag hatte sie die Sonne im Rücken. Ob die Beleuchtungssituation, die Profilansicht, oder der Abschnitt des Sockelreliefs für die Wahl des Bildausschnitts ausschlaggebend waren, oder ob Peter Feist die Figur absichtsvoll mittig vor den noch spärlich belaubten Baum setzte, muss offen bleiben. Jedenfalls aber wurde aus Luise in diesem Bild zugleich eine Daphne, die Nymphe, die sich nach Ovid in einen Baum verwandelte um der Verfolgung durch Apoll zu entgehen.

Ein Rätsel gibt das Datum der Aufnahme des Kleinbilddias auf. Das Denkmal wurde nach allgemeinem Kenntnisstand 1982 zur Restaurierung abmontiert, aber vor Ort erst 1986 durch eine Kopie ersetzt (nach deren schnellem Verfall 2013 wieder das restaurierte Original an die Stelle trat). So stellt sich die Frage, welches physische Objekt Peter Feist hier im Jahr 1984 eigentlich fotografiert hat. Weiß hier jemand mehr?

(GS)

(Link zum Datensatz: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=%21collection6993)

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Annette Dorgerloh, Marcus Becker, Ulf Jensen (Hg.): Vom Handlungsraum zum Filmbild – Szenographie der Antiken im Film

Annette Dorgerloh, Marcus Becker, Ulf Jensen (Hg.)

Vom Handlungsraum zum Filmbild

Szenographie der Antiken im Film

Das 20. Jahrhundert entwirft sein Bild der Antike im Film, vor allem im monumentalen Spielfilm. Seit der Frühgeschichte des Kinos gehören die zumeist aufwendig inszenierten Antikfilme bis heute weltweit zu den erfolgreichsten Produktionen. Wie alle Historienfilme sind auch Antikfilme immer Ausdruck ihrer Entstehungszeit mit ihren archäologischen Wissensbeständen, aktuellen Schönheitsidealen, ästhetischen Standards und geopolitischen Vorstellungen, die jeweils auf die Handlungszeit rückprojiziert werden. Auf welche Weise dies jeweils visualisiert und verräumlicht wird und wie kontrastierende Stilzuweisungen entsprechend eingesetzt wurden, ist Gegenstand der Beiträge dieses Bandes, die sich aus kunst- und bildgeschichtlicher, archäologischer und althistorischer Perspektive mit den Bildtraditionen und -innovationen in der filmischen Darstellung von Antiken, ihren Transformationen und Aktualisierungen befassen.

Band 4
SCENOGRAPHICA – Studien zur Filmszenographie
1. Auflage 2020, Softcover, 17×24 cm, 262 Seiten,120 Abbildungen, zumeist in Farbe
ISBN 978-3-89739-844-3
Link: https://asw-verlage.de/katalog/vom_handlungsraum_zum_filmbild-1941.html

Elke Blauert, Joachim Brand, Georg Schelbert (Hg.): Reisespuren. Die Zeichnungen des Architekten Robert Wimmer

Elke Blauert, Joachim Brand, Georg Schelbert (Hrsg.)

Reisespuren

Die Zeichnungen des Architekten Robert Wimmer von seinem Italienaufenthalt 1850-1852 im Klebeband OZ 160 der Kunstbibliothek

Berlin: Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin. Berlin 2020.

Download: (PDF, 69 MB)

Die Reise nach Italien gehörte im 19. Jahrhundert zur Ausbildung eines Architekten. Sie diente vor allem dazu, berühmte Städte und ihre Bauwerke aufzusuchen. Venedig, Florenz, Rom und Neapel spielten dabei eine herausragende Rolle. Charakteristische Zeugnisse der Architektenreisen sind die vielen, vor Ort angefertigten Zeichnungen. Die meisten von ihnen schlummerten bislang in den Archiven von Hochschulen, Museen und Stadtarchiven und wurden wenig beachtet. Durch die neuen Möglichkeiten der digitalen Publikation erhalten diese Werke eine größere Sichtbarkeit für Forschung und Wissenschaft.

So verhält es sich auch im Fall des sächsischen Architekten Robert Wimmer, der seine Italienreise in den Jahren 1850 bis 1852 gemeinsam mit Kommilitonen nach dem Studium bei Gottfried Semper in Dresden unternahm und später unter anderem Stadtbaumeister in Chemnitz war. Seine rund 400 Reisezeichnungen befinden sich im Klebeband OZ 160, der seit 1932 in der Architektursammlung der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin aufbewahrt wird. Sie werden hier erstmals veröffentlicht.

Die Online-Publikation ist Ergebnis zweier praxisorientierter Lehrveranstaltungen, die von Dr. Georg Schelbert gemeinsam mit Elke Blauert und Dr. Joachim Brand im Wintersemester 2015/16 und im Winteresemestser 2016/17 mit Studierenden des IKB im BA und MA-Studiengang durchgeführt wurden. Die Texte des Bandes wurden verfasst von Julius Tadas Bartholdt, Elke Blauert, Eva Dalvai, Davide Ferri, Antonia Fusban, Natalie Jitschin, André Hartmann, Alina Pilz, Rebekka Reichert, Carmen Reichmuth, Martin Roßbacher, Georg Schelbert, Hulda Snorradottir und Kay Usenbinz.

Elke Blauert, Joachim Brand und Georg Schelbert (Hrsg.)
Reisespuren. Die Zeichnungen des Architekten Robert Wimmer von seinem Italienaufenthalt 1850-1852 im Klebeband OZ 160 der Kunstbibliothek
Berlin: Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin. 2020.
728 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
ISBN: 97 8-3-88609-841-5

Download:  (PDF, 69 MB)

Fundstück #1

#1 Das Balkonzimmer

Fotos: Peter H. Feist

Zum Start der Serie erschien uns Adolf von Menzels bekanntes Bild “Balkonzimmer” besonders passend, visualisiert es doch die aktuelle #stayathome-Situation. Das 1845 entstandene Bild wurde wegen seines unscheinbaren Sujets und der Fokussierung auf visuelle Effekte zur Vorhut des französichen Impressionismus erklärt. Zugleich ist es wegen seiner undefinierten Partien (die aber im Spiegel ausgearbeitet sichtbar sind) rätselhaft – oder lediglich unvollendet, auch wenn es signiert ist. Heute ist das Werk wieder in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel zu sehen, nach dem Zweiten Weltkrieg befand es sich jedoch in West-Berlin: Bis 1959 in Dahlem, danach im Schloss Charlottenburg, ab 1968 in der Neuen Nationalgalerie an der Potsdamer Straße und ab 1986 bis zur Wiedervereinigung erneut in Charlottenburg.

Peter Feist (1927-2015) konnte ab 1961 nur zu besonderen Gelegenheiten nach West-Berlin reisen, die er dann auch für Museumsbesuche – und zum Fotografieren – nutzte. Aus der Summe seiner Aufnahmen könnte man seine Aufenthalte wohl weitgehend rekonstruieren. Mindestens vier Mal hat er auch das “Balkonzimmer” fotografiert: 1960, 1965, 1978 und 1984 (Abb. v.l.n.r.). Wir wissen nicht, was ihn zu dieser Wiederholung bewegte. Dass Peter Feist – wie das fotografierenden KunsthistorikerInnen durchaus passiert – bei mehreren Aufnahmen nicht mehr in Erinnerung hatte, dass er bereits früher solche gemacht hatte, ist zumindest ab dem dritten Bild eher unwahrscheinlich. Auch das Bedürfnis, mehrere Abbildungen des Werks zu haben, hätte sich bei einem einzigen Besuch durch mehrere Aufnahmen befriedigen lassen. Nahm er an, dass er jeweils eine bessere Aufnahme herstellen könnte, z.B. weil das Filmmaterial besser wurde? Wollte er das Gemälde über die Zeiten dokumentieren? Für letzteres hätten sich Aufnahmen im räumlichen Ausstellungskontext angeboten. Bei unserer Serie sind jeweils nur Teile des Rahmens zu sehen, woran aber ablesbar ist, dass dieser zwischen 1960 und 1965 gewechselt wurde, und dass sich die Beschriftung änderte.

Nicht zuletzt sehen wir, wie die Farbqualität der Bilder schwankt. Hier spielen nicht nur Änderungen in der Produktion, sondern auch die Umstände der Entwicklung und Konservierung des einzelnen Films eine Rolle. Der starke blau-violett-Stich der Aufnahme von 1965 findet sich auffallend häufig bei Dias dieses Jahrzehnts.

(GS)

(Link zu den Datensätzen: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=%21collection6949)

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Jitske Jasperse: Medieval Women, Material Culture, and Power Matilda Plantagenet and her Sisters

Jitske Jasperse

Medieval Women, Material Culture, and Power

Matilda Plantagenet and her Sisters

This book argues that the impressive range of belongings that can be connected to Matilda Plantagenet, duchess of Saxony–textiles, illuminated manuscripts, coins, chronicles, charters, and literary texts–and her sisters allows us to perceive elite women’s performance of power, even when they are largely absent from the official documentary account. The material traces connected to Matilda and some of her contemporaries show the importance of women as makers of material culture, as well as the dual agency of women and their objects in the consolidation of their very real, if all but unwritten, power. It is especially through the visual record of material culture that we can hear female voices, showing that women were capable of impacting their own lives as well as that of others, even if charters and chronicles fail to mention so. This forces us to redefine assumptions about power for sparsely-documented noblewomen.

Author
Jitske Jasperse is Assistant Professor of Medieval Visual Cultures in the Department of Art and Visual History at the Humboldt-Universität zu Berlin.

Q&A: https://arc-humanities.org/blog/

Prize € 69,00
ISBN 9781641891455
Release 29-02-2020
Hardcover, Size 23.4 x 15.6 cm
Partner Arc Humanities Press