Census-Ausstellung

Census – Online – Ausstellung

Das 75-jährige Jubiläum des Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance findet 2021 statt. Aus diesem Anlass hat eine Gruppe von Student*innen der Humboldt-Universität und des Warburg Institutes die Online-Ausstellung „75 Jahre, 1946–2021. Von Karteikarten zur Online-Datenbank“ kuratiert. Die Ausstellung setzt sich mit den Forschungsmethoden des Census und seiner Entwicklung in den vergangenen 75 Jahren auseinander.

Fundstück #23

#23 Die Handschrift des jungen Forschers

Glasdia mit Gemälde von Jacob van Ruisdael.

Glasdiapositive mit Röntgenaufnahme des Kopf des Moses der Berliner Gemäldegalerie und einem nicht identifizierten Gemälde aus dem Rembrandtumkreis (seinerzeit Den Haag, Privatbesitz). Fotos: unbekannt, Digitalisat: Mediathek des IKB

Unter den rund 1000 Dias von Werken Rembrandts, die sich in der alten Lehrbildsammlung befinden, fallen einige durch eine besonders ausgeprägte Handschrift auf. Der Umstand, dass sie teils unbekannte oder aus dem Rembrandt-Umkreis stammende Werke, teils Detailaufnahmen oder sogar Röntgenaufnahmen zeigen, ordnen sie eher einem Forschungskontext zu.

Zur Entstehungszeit dieser Dias, zwischen 1952 und 1956, war mit Werner Sumowski (Ortelsburg/Szczytno 1931- Stuttgart 2015) ein Doktorand am Institut, der 1956 mit der Dissertation “Rembrandts Handzeichnungen: Beiträge zur Echtheitskritik“ bei Richard Hamann promoviert wurde. Die Überprüfung der Handschrift mit anderen Belegen bestätigte schnell die Vermutung, dass diese Dias tatsächlich von Sumowski selbst beschriftet worden waren. Allerdings waren sie wohl kaum für eigene Lehrveranstaltungen bestimmt, da Sumowski als Doktorand – zumindest nach den Vorlesungsverzeichnissen – nicht lehrte. Es wäre denkbar, dass er die Dias für Richard Hamann hat anfertigen lassen, der im u.a. im Herbstsemester 1955/56 ein Seminar “Bürgerliche Kunst in den Niederlanden / b. Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts” für das 2. Studienjahr hielt. Noch wahrscheinlicher waren sie aber für eigene Fachvorträge bestimmt, da die Bildbeispiele etwas speziell für allgemeine Überblicksveranstaltungen gewesen wären.

Sumowski war später einer der angesehensten Kenner des Werks von Rembrandt und seiner Schüler, konnte aber in der DDR neben einigen Fachartikeln nur eine Monografie im kirchlichen Milieu realisieren: Für den mit geprägtem Leineneinband und Farbschnitt gediegen als Geschenk konzipierten Band der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin, „Rembrandt erzählt das Leben Jesu“, dessen Haupttext ausschließlich aus Bibel-Texten besteht, wählte er die Werke aus und erstellte einen Katalog mit Kommentaren. Möglicherweise plante er am Kunsthistorischen Institut noch eine größere wissenschaftliche Publikation zu Rembrandtzeichnungen, da sich im Archiv zahlreiche, mit seinem Namen gekennzeichnete Negativplatten befinden, die noch nicht im Einzelnen gesichtet wurden. Doch zu diesen Projekten kam es nicht mehr.

Nachdem der immerhin bereits 78-jährige Richard Hamann 1957 seinen Lehrauftrag verloren hatte und Gerhard Strauss als Lehrstuhlinhaber eingesetzt worden war, gehörten derartig bürgerliche Themen grundsätzlich nicht mehr zum Profil, was sich auch am Fehlen der Produktion von weiteren Rembrandt-Lehrdias ablesen lässt. 1959 entschloss sich Werner Sumowski, vielleicht sogar auf Anraten Hamanns, zur damals bereits seit zwei Jahren als Straftatbestand definierten ‘Republikflucht’ in den Westen, was für seine wissenschaftliche Karriere sicherlich die beste Entscheidung war.

Zunächst als Assistent, später als Professor konnte er an der TH bzw. Universität Stuttgart seine Rembrandt-Forschungen über seine gesamte Karriere hinweg weiter fortsetzen. Mit der Veröffentlichung umfangreicher Werkverzeichnisse etablierte er sich international als führender Rembrandt-Sachverständiger: Zu Beginn der 1980er Jahren erschienen sowohl die von Walter L. Strauss (The Illustrated Bartsch) in New York herausgegebenen 10 Bände der “Drawings of the Rembrandt School”, als auch die sechs Bände der in Deutschland erschienenen “Gemälde der Rembrandt-Schüler”. Letztere wurden auch für die Berliner Institutsbibliothek angekauft, aber bezeichnenderweise noch nicht zu DDR-Zeiten, sondern erst nach der Wende, im Jahr 1991.

(G.S.)

(Ich danke Dr. Dietrich Heißenbüttel, Stuttgart, für die Zusendung einer Schriftprobe von Werner Sumowski, die die Vermutung der autographen Beschriftung der Dias bestätigte)

Postskriptum 7.3.2022: Anders als angenommen, hielt Sumowski durchaus noch Vorlesungen am Kunstgeschichtlichen Institut der Humboldt-Universität, bevor er in die DDR verließ. Peter H. Feist schreibt in seiner Autobiografie über den Beginn seiner eigenen Anstellung als Assistent bei Gehard Strauss: “Dr. Werner Sumowski (geb. 1931), ein Lieblingsschüler Hamanns, der ihn auf das Werk Rembrandts gelenkt hatte, war noch eine Weile als Oberassistent mit Vorlesungen tätig und litt unter der Situation [dass R. Hamann das Institut hatte verlassen müssen, G.S.]. Ich hatte so gut wie keinen Kontakt zu ihm. Im Oktober 1959 ging er nach dem Westen.” (Hauptstraßen und eigene Wege, Berlin 2026, S. 81)

(Link zu allen bislang aufgefundenen Dias mit mutmaßlicher Beschriftung Werner Sumowskis: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=sumowski)

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Aufruf aller bisherigen Fundstücke: http://www.kunstgeschichte.hu-berlin.de/category/fundstück/

Die Diapositive und Fotos aus den Sammlungen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte tragen verschiedenste Spuren ihrer Herstellung und Nutzung und sind damit immer auch ein Stück Institutsgeschichte, Fachgeschichte oder Medien- und Technikgeschichte.
Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen, ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de)

Humboldt-Universität zu Berlin, Friedrich Tietjen (Hg.): Private Fotografie in Ostdeutschland 1980-2000. Glossar

Humboldt-Universität zu Berlin und Friedrich Tietjen (Hg.)

Private Fotografie in Ostdeutschland 1980-2000. Glossar

Redaktion: Marie Egger, Viviane Linek, Katja Müller-Helle, Jana Storch und Friedrich Tietjen

Die Publikation begleitet die Ausstellung „…irgendwer hat immer fotografiert…“ – Private Fotografie in Ostdeutschland 1980-2000 in der Stiftung Reinbeckhallen in Berlin. Sie entstand als studentische Initiative in einem dazugehörigen Seminar das von Dr. Friedrich Tietjen, dem Kurator der Ausstellung, und Dr. Katja Müller-Helle, der Leiterin der Forschungsstelle Das Technische Bild an der Humboldt-Universität zu Berlin unterrichtet wurde.

Von Juni bis November 2021 untersuchten sie gemeinsam mit Studierenden des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte die Privatfotografen und die Albengespräche, die aus dem Forschungsprojekt Biografie und Geschichte. Private Fotografie in Ostdeutschland 1980-2000 hervorgegangen waren.

Das Glossar enthält 32 Beiträge, die mit Blick auf die große Menge privater Fotografien danach fragen, welche Schlussfolgerungen sich aus der Analyse einzelner Bilder über die Privatfotografie als solche ziehen lassen. Sie gehen darauf ein, dass zwischen 1980 und 2000 nicht nur eine, sondern zwei maßgebliche Wenden passierten: Die Auflösung der DDR in Ostdeutschland und der Übergang von der analogen Fotografie zur digitalen.

Autor:innen:

Ann-Kristin Block, Lena Bösch, Natalia Bürkle, Nadine Butigan, Frank Egger, Marie Egger, Gianna Ehrke, Seoyoung Kim, Katja Müller-Helle, Viviane Linek, Marcel H. Pernik, Véro Seibert, Jana Storch, Friedrich Tietjen, Carolina Zamfirescu

Texte in Deutsch, 75 Seiten mit 20 Farb- und 13 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 14,8 × 21 cm, Rückendrahtbindung mit Lagenfalz

Berlin: Humboldt-Universität 2021

Link: https://www.academia.edu/62387070/Private_Fotografie_in_Ostdeutschland_1980_2000_Glossar

 

 

Linn Burchert und Iva Rešetar (Hg.), Atem / Breath. Gestalterische, ökologische und soziale Dimensionen / Morphological, Ecological and Social Dimensions

Linn Burchert und Iva Rešetar (Hg.)

Atem / Breath. Gestalterische, ökologische und soziale Dimensionen / Morphological, Ecological and Social Dimensions

Abstract Deutsch:

Beim Atmen – im Prozess von ständigem Austausch und Grenzüberschreitung zwischen Organismus und Umwelt – wird Luft als «immaterielles» Material aktiv. Der Band versammelt erstmals Studien zum Atem aus Perspektive der Künste, Geisteswissenschaften sowie experimentellen wissenschaftlichen und gestalterischen Praktiken. Mit Fokus auf die Zeit von 1900 bis heute umfasst die Publikation bewusst eine Epoche, in welcher Luft ein prekäres Medium ist: Ob im Kontext von Klimawandel und globaler Pandemie, Raumfahrttechnologien oder im Giftgaskrieg – Luft ist von Menschen miterzeugt und manipuliert. In diesem Spektrum zeigt sich der Atem selbst als schwer zu fassende, aber wesentliche Substanz, die Verbindungen zwischen Physischem, Symbolischem, Technologischem und Sozialem sichtbar macht.

Abstract Englisch:

During breathing – in the process of constant exchange and crossing of boundaries between the organism and its environment – air as an «immaterial» material becomes active. For the first time, this anthology brings together studies on breath from the perspective of the arts and humanities, as well as experimental scientific and design practices. Focusing on the period from 1900 to the present day, the publication covers an era during which air has become a precarious medium: whether in the context of climate change or global pandemic, space technology or gas warfare, air is now co-created and manipulated by humans. Against this backdrop, breath appears as an elusive yet vital substance that reveals the interconnections between the physical, symbolic, technological and social realms.

De Gruyter, Berlin/Boston 2021

Link zum Verlag und zum Download:
https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110701876/html

 

 

Auszeichnung: Thomas Helbig erhält den Rudolf Arnheim-Preis (2021)

Auszeichnung: Thomas Helbig erhält den Rudolf Arnheim-Preis (2021)

Thomas Helbig, Absolvent am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin erhält den diesjährigen Rudolf Arnheim-Preis. Die Auszeichnung wird vom Verein zur Förderung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte gestiftet und würdigt eine herausragende Dissertation des Instituts. In seiner Arbeit „Bild, Ton und Schrift als Medium und Material in Jean-Luc Godards Histoire(s) du cinéma“, die von Prof. Dr. Michael Diers, Prof. Dr. Claudia Blümle (beide Humboldt-Universität zu Berlin) und Prof. Dr. Volker Pantenburg (Universität Zürich) betreut wurde, untersucht er ein zentrales Hauptwerk des Filmkünstlers und schlüsselt es auf seine medien-, literatur- und kunsthistorischen Bezüge auf, die er in einer ebenso kenntnisreichen wie genauen Betrachtung entfaltet.

Die Verleihung des Preises findet am 3. Juni 20022 im feierlichen Rahmen der Absolvent*innenfeier statt.

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Michael Diers und Steffen Haug mit Thomas Helbig Aby Warburg, Briefe (=Gesammelte Schriften, Studienausgabe, GS V.1-2)

Michael Diers und Steffen Haug mit Thomas Helbig

Aby Warburg, Briefe

(=Gesammelte Schriften; GS V.1-2)

Die fünfte Abteilung der Gesammelten Schriften Aby Warburgs ist in zwei Teilbänden den Briefen des Hamburger Kunst- und Kulturhistorikers gewidmet. Briefe gehörten für Warburg zu den wichtigsten Formen des gedanklichen Austauschs.
In der Korrespondenz mit Familie, Freunden und Kollegen äußert er sich über seine Ideen, Projekte und Forschungen. Die Briefauswahl dokumentiert und kommentiert in Form einer indirekten (Auto-)Biographie Leben und Werk vom Beginn des Studiums 1886 bis zu Warburgs Tod 1929, also von den ersten Referaten bis zur Arbeit am unvollendet gebliebenen Mnemosyne-Bilderatlas. An die Seite des wissenschaftlichen Autors Warburg tritt dabei ein geistvoll und literarisch gewandt formulierender Verfasser, der auch das politische Zeitgeschehen kritisch beobachtet und analysiert. Der Band stellt Warburgs Briefe in einer exemplarischen Auswahl von über 800 Schreiben vor.

Eine umfangreiche Quellendokumentation zu Warburgs Leben und Wirken,
wissenschaftlich kommentiert und ausführlich illustriert.

Die Herausgeber:
Michael Diers und Steffen Haug mit Thomas Helbig

Berlin: De Gruyter 2021, 1430 Seiten, 418 Abbildungen
ISBN: 978-3-11-053369-9
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Fundstück #22

#22 Holländische Landschaften

Glasdia mit Gemälde von Jacob van Ruisdael.

Glasdia, bez. “J. v. Ruisdael / Strand von Scheveningen / Slg. v. Pannwitz b. Haarlem, 43702”, Foto: unbekannt, Reproaufnahme: verm. H. Lobers

Ein gutes Dutzend der Glasdias des kunstgeschichtlichen Instituts zeigt Gemälde von Jacob van Ruisdael (Haarlem, um 1629 – 1682) aus verschiedenen Sammlungen und ist zugleich mit einem Etikett “H. Lobers Berlin C 2 Staatliche Museen” versehen. Aus den Berliner Adressbüchern kann man entnehmen, dass es sich bei der Namensangabe um Hermann Lobers handelt, der am Berliner Kupferstichkabinett tätig war (lt. Adressbuch wechselnd bezeichnet als “Hilfsarbeiter”, “Hilfsrestaurator”, oder “Beamter”). Darüber hinaus ist über ihn bislang nichts weiter bekannt, außer dass er im Lauf des Jahres 1936 oder 1937 in den Ruhestand ging und demnach um oder kurz nach 1871 geboren sein dürfte. Da die Adressbücher 1943 abbrechen und nach dem Krieg zunächst nur als Branchenbücher fortgeführt wurden, kann das Jahr seines Ablebens nicht eingegrenzt werden. Einige der Dias (wie das hier abgebildete) weisen Inventarnummern des Instituts auf, die sich im Bereich von 43700 bewegen. Nach bisherigen Eingrenzungen entstanden Dias mit diesen Nummern Ende der 1920er Jahre.

Die auf den Dias gezeigten Gemälde haben keinen besonderen Bezug zum Kupferstichkabinett, wo Lobers tätig war. Sie stammten – wie gesagt – vielmehr aus verschiedenen Sammlungen. So befand sich bspw. das abgebildete Werk mit der Ansicht des Strands von Scheveningen, dessen heutiger Verbleib nicht bekannt zu sein scheint, in einer Sammlung, die das Ehepaar von Pannwitz zunächst in Berlin aufgebaut und in einer eigens dafür errichteten Villa im Grunewald ausgestellt hatte, die aber nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 1920 nach Schloss Hartekamp bei Bennebroek in Holland verbracht wurde. Dieses und die anderen auswärts befindlichen Gemälde Ruisdaels waren, nach allem was bekannt ist, in den späten 1920er Jahren nicht – etwa auf einer Ausstellung – in Berlin zu sehen und hätten also auch nicht in Berlin fotografiert werden können. Daher stellt sich die Frage, auf welche Weise der Fotograf des Kupferstichkabinetts diese Dias anfertigte.
Wenn man nicht eine Reise vermutet, kommt wohl nur in Frage, dass es sich um Reprofotografien nach Abbildungen handelt. Soweit man anhand der Dias beurteilen kann, lagen den Aufnahmen keine gedruckten Vorlagen zugrunde, da kein Druckraster zu erkennen ist. Daher muss angenommen werden, dass Negative oder (hochwertige) Fotoabzüge als Vorlage dienten.

Woher könnten aber nun die Vorlagen stammen und warum nahm gerade Lobers sie auf? Es ist sicherlich kein Zufall, dass zu dieser Zeit (und bis zu seiner erzwungenen Emigration 1937) der Kunsthistoriker Jacob Rosenberg (Berlin 1893 – Cambridge/Mass. 1980) am Kupferstichkabinett tätig war und sich parallel zu seiner dortigen Tätigkeit mit Forschungen zu Ruisdael beschäftigte. 1928 publizierte er bei Bruno Cassirer eine großformatige Überblicksmonografie zu Ruisdael, bebildert mit 112 Tafeln bzw. 158 Abbildungen (Rosenberg, Jakob: Jacob van Ruisdael. Berlin 1928). Wie auch im Vorwort bemerkt, hatte er für diese Publikation – auch aus abgelegenen Sammlungen – eine größere Menge fotografischer Abbildungen von Ruisdaels Gemälden beschafft.

So lautet unsere vorläufige Hypothese, dass diese Dias nach Fotografien angefertigt wurden, die sich im Besitz von Jacob Rosenberg befanden. Auch wenn dafür sicherlich einige Absprachen nötig waren, war es naheliegend, dass der an dessen Arbeitsstelle tätige Fotograf die 8,5x10cm-Glasdias anfertigte. Grundsätzlich waren die persönlichen Netzwerke zwischen den Forschenden und Institutionen wohl eher enger als heute, so dass von einer kollegialen Verbindung Rosenbergs zur Universität auszugehen ist, auch wenn Rosenberg, der 1922 bei Wölfflin in München promoviert wurde, nicht in Berlin studiert hatte. Hinsichtlich der Frage, wer die Dias mit den Gemälden Ruisdaels am kunsthistorischen Institut wünschte, ließe sich schließlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuten, dass es kein anderer als der Lehrstuhlinhaber des Instituts selbst, Adolph Goldschmidt, war. Er hielt seit der Mitte der 1920er Jahre immer wieder eine Vorlesung zur niederländischen Malerei des 17. Jh. – zuletzt im Sommersemester 1929. Dass hingegen – im Unterschied zu anderen Dias mit Werken der niederländischen Malerei – seine Handschrift auf den Dias nicht zu finden ist, rührt vielleicht daher, dass die Beschriftung vom Fotografen ausgeführt wurde. Hierfür würden einige Merkmale sprechen, deren Untersuchung hier jedoch zu weit führen würde. (GS)

(Link zum Datensatz: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/view.php?ref=52736)

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Die Diapositive und Fotos aus den Sammlungen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte tragen verschiedenste Spuren ihrer Herstellung und Nutzung und sind damit immer auch ein Stück Institutsgeschichte, Fachgeschichte oder Medien- und Technikgeschichte.
Die hier in loser Reihe vorgestellten Fundstücke sind als solche gemeint: Immer wieder fallen einzelne Objekte auf – aufgrund ihrer Beschaffenheit, aufgrund ihre Bildinhalte, aufgrund eines sonstigen Umstands – und geben Anlass zu weiteren Beobachtungen, Überlegungen, oder kleinen Recherchen. Wenn sich dann eine erste Geschichte abzeichnet, wird sie hier gelegentlich präsentiert. Nicht als Forschungsergebnis, sondern eher als Beobachtung, Vermutung, Frage, die zu weiterer Forschung führen kann. Zusätzliches Wissen in Form von Ergänzungen, aber auch Korrekturen ist stets willkommen (mediathek.kunstgeschichte@hu-berlin.de)

Representing Woman: Feministische Strategien in Wissenschaft, Kunst und Netzaktivismus

Representing Women: Feministische Strategien in Wissenschaft, Kunst und Netzaktivismus

Das Projekttutorium Representing Women: Feministische Strategien in Wissenschaft, Kunst und Netzaktivismus verfolgte die gemeinsame Erarbeitung feministischer Perspektiven auf Wissenschaft, Kunst/Kunstgeschichte und Technologien. Beim Format des Projekttutoriums handelt es sich um eine studentisch organisierte Lehrveranstaltung, in der wissenschaftlich und praxisorientiert Initiativen in die Bereiche Lehre und Forschung eingebracht werden. Dabei ist die Veranstaltung offen für Studierende aus allen Fachrichtungen und ausdrücklich an einem interdisziplinären Austausch interessiert.

Über den Zeitraum von zwei Semestern (Wintersemester 2020/21 & Sommersemester 2021) haben wir uns zunächst einen Einblick in feministische Wissenschaftstheorien, die feministisch-postkolonialen Science & Technology Studies (STS) und die feministische Kunstgeschichte und Kunst verschafft. Dabei hatten wir die Möglichkeit, uns mit der Künstlerin Cornelia Sollfrank über die Bewegung des Cyberfeminismus der 1990er Jahre zu unterhalten. Auf dieser theoretischen Grundlage haben wir dann die Online-Enzyklopädie Wikipedia einer kritischen Betrachtung unterzogen. Obwohl Wikipedia nur eine Informationsquelle unter vielen ist und in der Wissenschaft und der akademischen Ausbildung als verpönt und als nicht-zitierbare Quelle gilt, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Plattform häufig die erste Informationsquelle einer schnellen Internetrecherche ist, was nicht zuletzt Folge des mittlerweile unmittelbaren Zugriffs auf das Internet über Smartphones und der Priorisierung von Wikipedia-Inhalten in Internet-Suchmaschinen wie Google ist, die neben der Ergebnisliste häufig Wikipedia-Faktenboxen einblendet. Die Seite wird von über 365 Millionen Menschen genutzt und ist in 275 Sprachen verfügbar. Sie ist somit eine global einflussreiche Wissensplattform. Wikipedia bezeichnet sich selbst als „freie Enzyklopädie“ und lädt prinzipiell jede*n zum Mitwirken auf der Plattform ein. Die Seite wirbt für sich als objektives Wissensprojekt mit dem Vorhaben, die Summe allen menschlichen Wissens abzubilden und gleichzeitig den Zugang zu Wissen bzw. die Wissensproduktion zu demokratisieren. Dass diese Zielsetzung (bisher) eine uneingelöste Open-Source-Utopie bleibt, belegen die zunehmende Zahl an veralteten Artikeln, abnehmende Editor*innenzahlen und letztlich auch die Dominanz weißer, männlicher Autoren (nur 9% der Editor*innen geben an, weiblich zu sein), die den Inhalt der Plattform prägen. Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn Wikipedia als neutrale und unhinterfragte Quelle im Alltag verwendet wird und es kein Bewusstsein dafür gibt, wie und unter welchen Voraussetzungen dieses Wissen produziert wird. In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Strukturen der Plattform, sowie der Analyse von Text- und Inhaltproduktion, der Bedeutung und Verwendung von Sprache und Bildern in der Wikipedia haben wir versucht, uns ein solches kritisches Bewusstsein zu erarbeiten. Internationale feministische Netz-Initiativen wie u.a. Art+Feminism, Who writes his_tory? oder WomenEdit setzen sich dafür ein, das Wissen in der Wikipedia diverser zu gestalten, indem sie beispielsweise Wikipedia-Artikel über Frauen und andere in der Wikipedia unterrepräsentierte Personengruppen und Themen anlegen. Außerdem machen sie sich für eine gegenseitige Vernetzung und Unterstützung stark. Dieser netzaktivistischen Betätigung sind wir schließlich auch in einem abschließenden praktischen Teil des Projekttutoriums nachgegangen, um die Potentiale und Grenzen feministischer Intervention auszuloten. Dabei unterstütze uns die Initiative Feministische Schreibwerkstatt (http://www.texture.works/), die uns in zwei Workshops die Basics des Editierens in der Wikipedia beibrachte. Aus dem Tutorium sind nun folgende Artikel entstanden:

Das Projekttutorium wurde von Hanna Steinert geleitet und von Prof. Dr. Eva Ehninger betreut. Außerdem wurde die Veranstaltung durch die Frauenförderung der Humboldt-Universität zu Berlin und den Verein zur Förderung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte e.V. unterstützt.

Gegenwärtig planen wir die Gründung einer monatlichen Schreibgruppe, die sich am 24.11.2021 treffen wird. Bei Interesse gerne melden bei: steineha@hu-berlin.de

Horst Bredekamp und Gunter Gebauer: Die Wirklichkeit findet statt!

Horst Bredekamp und Gunter Gebauer

DIE WIRKLICHKEIT FINDET STATT!

Über notwendige Präsenz in Kunst und Sport. 

Köln 2021. 11,1 x 18,1 cm. 94 S., broschiert.

Bestellnr.: 1626615
ISBN: 978-3-7533-0078-8

Was ist uns während der Covid-19 Pandemie verloren gegangen? Über das, was sie in dieser Zeit am meisten vermisst haben, sprechen der Kunsthistoriker Horst Bredekamp und der Philosoph Gunter Gebauer: Keine Begegnung mit den Originalen der Kunstwerke, kein Museumsbesuch, keine neuen Ausstellungen, und das Verschwinden aller sportlichen Wettkämpfe aus der Öffentlichkeit, mit Ausnahme der “Geisterspiele”. Welche Bedeutung der körperlichen Präsenz in der Begegnung mit Kunstwerken zukommt und wie ein empathisches Publikum auf herausragende sportliche Leistungen leibhaftig reagiert, wird an eindrucksvollen Beispielen diskutiert. Was wird nach dem Ende der Pandemie geschehen – wird die Erfahrung der Präsenz mit einem Schlag zurück gewonnen oder werden die im Inneren angelegten Hemmungen mit vorsichtigen Schritten allmählich überwunden?

 

Horst Bredekamp: Michelangelo

Horst Bredekamp

Michelangelo

Wagenbach Verlag
Sachbuch. 19.8.2021
816 Seiten. Großformat (21×28 cm). Leinen mit Prägung. Durchgefärbtes Vorsatzpapier. Fadengeheftet. 2 Zeichenbänder. Mit ca. 900 meist farbigen Abbildungen
89,– €
Subskriptionspreis bis zum 31.12.2021 • danach 118,– €

ISBN 978-3-8031-3707-4
sofort lieferbar

Michelangelos revolutionäres Wirken in Kunst und Politik – erzählt entlang der deutenden Ausleuchtung jedes einzelnen Werkes der Entwicklungsgeschichte des Meisters und eingebettet in ein plastisches Zeitpanorama. Ein rauschhaftes Opus Magnum, eine Feier der Kunstgeschichte.

Mit ikonisch gewordenen Werken wie dem David, der Erschaffung Adams in der Sixtinischen Kapelle oder Bauten wie der Kuppel des Petersdoms gehört Michelangelos Schaffen zweifelsohne zum kulturellen Menschheitserbe. Schon zu Lebzeiten wurde ›Il divino‹, dem Göttlichen, ein übermenschlicher Status zugesprochen, sein unermessliches Œuvre aus Skulptur, Architektur und Zeichnung bannt Betrachter wie Forschung bis heute.

In seiner monumentalen Gesamtdarstellung fasst Horst Bredekamp das Genie Michelangelo auf beispiellose Weise. Er nimmt dessen Leben vom Werk aus in den Blick und begreift das Œuvre als Stimulus der Vita. Ebenso empfindsam wie präzise untersucht Bredekamp jedes einzelne Kunstwerk von der Hand Michelangelos im zeitgeschichtlichen und kunsthistorischen Kontext sowie innerhalb der Entwicklung des höchst gefragten Künstlers.

Bredekamp präsentiert uns einen von seinen Werken getriebenen, fortwährend vertragsbrüchig und säumig bleibenden Meister, der sich gänzlich dem künstlerischen Imperativ eines jeden Werks verschreibt und sich vom zu bearbeitenden Material selbst leiten lässt. Indem seine Kunstwerke sich dem Prinzip der Vollendung verweigerten, sprengte Michelangelo alle Konventionen. Doch nur so ließ sich seine bedingungslose Weltliebe ausdrücken, seine Pan-Empathie, die ihn zum loyalen Freund und zur Zumutung für seine Umwelt werden ließ. Und nur so gelang es Michelangelo, die existentiellen Fragen nach Sinn, Sinnlichkeit und politischem Schicksal seiner Epoche in der Form der Kunst auf eine Weise zu verhandeln, die bis heute erschüttert.